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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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…«
    »Und kein Schwein hier ist so freundlich gewesen, mich zu fragen, was dabei herausgekommen ist.«
    »Dick, was ist dabei herausgekommen?«
    »Ich habe einen Brief erhalten von jemandem mit einer unlesbaren Unterschrift, dessen Berufsbezeichnung, ob ihr’s glaubt oder nicht, Knotenpunkt-Direktor lautete.«
    »Das wollen wir jetzt nicht genauer erforschen.«
    »Und er schrieb mir, mein Ergebnis sei normal.«
    »Aha!«
    »Toll, Dick.«
    »Doch,hieß es im nächsten Abschnitt, und ich zitiere aus dem Gedächtnis – wie sonst könnte ich zitieren? –, doch kein Untersuchungsergebnis sei absolut und zu hundert Prozent verbindlich, weshalb ein normales Untersuchungsergebnis keine Garantie dafür sei, dass man keinen Darmkrebs habe oder eines Tages bekommen könnte.«
    »So was kann man ja auch nicht garantieren.«
    »Denen geht es nur darum, nicht verklagt zu werden.«
    »Heute geht es allen nur darum, nicht verklagt zu werden.«
    »Deswegen auch diese Eheverträge – um zum Thema zurückzukehren. Was würdest du sagen, Larry: Ist ein Ehevertrag eher ein Zeichen der Liebe oder der Unsicherheit?«
    »Das weiß ich nicht, ich habe noch nie einen unterschrieben. Doch ich vermute, in der Regel geht es darum, dass irgendwelche Anwälte das Vermögen einer Familie schützen wollen. Vielleicht hat es gar nichts mit Gefühlen zu tun, sondern nur mit dem, was sich gehört. So wie man ja auch tut, als glaube man den Inhalt des Ehegelübdes.«
    »Das habe ich in der Tat geglaubt. Jedes einzelne Wort.«
    »›Mit diesem Ring eheliche ich dich, mit meinem Körper vögeliche ich dich‹ – wenn ich mich daran erinnere. Aber oha, Joanna wirft mir eben wieder einen finsteren Blick zu.«
    »Herzkrebs, nicht Arschkrebs ist eigentlich unser Thema.«
    »Willst du damit sagen, Lieben sei Leiden, Joanna?«
    »Nein. Ich muss nur an ein paar Leute denken – Männer, ja, es sind lauter Männer –, die noch nie gelitten haben wegen der Liebe. Die dazu schlicht nicht fähig sind. Die vielmehr ein System der Ausflüchte und der Kontrollen aufgebauthaben, das verhindert, dass ihnen je etwas passiert.«
    »Ist das denn nicht vernünftig? Für mich klingt das nach dem emotionalen Pendant zu einem Ehevertrag.«
    » Vernünftig , genau das meine ich ja. Manche Männer können das ganze Programm – Sex, Heirat, Vaterschaft, Partnerschaft – absolvieren, ohne je darunter zu leiden. Vielleicht dass sie mal ein bisschen frustriert sind, ihnen etwas peinlich ist, sie langweilt oder ärgert … doch das ist es dann auch schon. Wehtut ihnen allenfalls, wenn eine Frau, die sie zum Abendessen ausführen, sich dafür nicht mit Sex revanchiert.«
    »Wer hat da behauptet, Männer seien zynischer als Frauen?«
    »Das hat nichts mit Zynismus zu tun. Wir alle kennen ein paar Leute, die so funktionieren.«
    »Soll das heißen, nur wer leidet, liebt auch wirklich?«
    »Natürlich nicht. Ich will damit nur sagen, nun ja, es ist wie mit der Eifersucht. Es gibt keine Liebe ohne die Möglichkeit von Eifersucht. Wenn du Glück hast, wirst du nie eifersüchtig, aber wenn du dazu gar nicht fähig bist, dann bist du auch nicht verliebt. So ähnlich ist es auch mit den Schmerzen.«
    »Dann ist Dick auf seine Art also durchaus beim Thema geblieben.«
    »…?«
    »Na ja, er hat keinen Arschkrebs, aber die Möglichkeit besteht, dass er Arschkrebs bekommt, jetzt oder in Zukunft.«
    »Vielen Dank. Damit bin ich rehabilitiert. Ich wusste doch, dass ich schon weiß, wovon ich rede.«
    »Du und der Knotenpunkt-Direktor.«
    »Du hast Pete gemeint, nicht wahr?«
    »Werist Pete? Der Knotenpunkt-Direktor?«
    »Nein, Pete, der Mann ohne Schmerzen.«
    »Pete ist einer dieser Typen, die zählen. Ihr wisst schon: Wie viele Frauen. Er weiß genau, an welchem Tag er in den zweistelligen Bereich vorgestoßen ist und an welchem er die fünfzigste gehabt hat.«
    »Zählen tun wir ja alle.«
    »Ach ja?«
    »Ich weiß jedenfalls sehr genau, wann ich die Zweite hatte.«
    »Bei mir gab es eine Menge Halbe, wenn ihr wisst, was ich meine.«
    »Nur zu gut. Und wenn das nichts mit Leiden zu tun hat …«
    »Nein, nur Pete würde das als Leiden bezeichnen. Das ist aber nichts als verletzte Eitelkeit. Verletzte Eitelkeit und Angstzustände, die hat er im Repertoire. Aber mehr Leiden ist bei ihm nicht drin.«
    »Sehr vernünftig. Was soll an dem Mann nicht gut sein. War er je verheiratet?«
    »Zweimal. Beide Male ohne Erfolg.«
    »Und?«
    »Es war ihm etwas peinlich, er verfiel in Selbstmitleid,

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