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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Zigarette an. Pardon, aber dieser Sache musste er auf den Grund gehen.
    »Hatte das etwas mit mir zu tun?«
    »Nein, es hatte etwas mit mir zu tun. Schließlich bin ich diejenige, die geschrien hat.«
    »Ist dir danach, es wieder zu tun? Jetzt zum Beispiel?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, wenn dir jetzt wieder danach wäre zu schreien, was wäre das für ein Gefühl?«
    »Es wäre ein Gefühl, Geoff, als sei mir wieder danach zu schreien.«
    »Und wann, glaubst du, wirst du das wieder tun?«
    Darauf antwortete sie nicht, was keinen von beiden erstaunte. Sie zermalmte die Silk Cut mit ihrem Supalite, begann die Schnürsenkel zu lösen und schnippte Adlerfarnfetzen auf den Asphalt.
    »4 Std. inkl. Mittag Grouse«, trug er in seinem Wanderbuch ein. »Wetter gut.« In der hintersten Kolonne trug er ein rotes »L« am Schluss einer ununterbrochenen Vertikalen roter »L« ein. In dieser Nacht legte er sich quer ins Bett. Na dann viel Glück, Alter, dachte er. Während des Frühstücks blätterte er in einer Nummer von Country Walking und füllte dann das Anmeldeformular für den Wanderverein aus. Da stand, man könne entweder per Scheck zahlen oder per Lastschriftverfahren. Das überlegte er eine Weile, dann entschied er sich für das Lastschriftverfahren.

BeiPhil & Joanna 4: Jeder Fünfte
    ____
    Es war Ende Oktober, doch Phil wollte unbedingt ein Feuer machen mit dem Apfelbaumholz, das sie vom Land mitgebracht hatten. Der selten benutzte Kamin zog nicht richtig, sodass von Zeit zu Zeit etwas aromatischer Rauch ins Wohnzimmer drang. Wir hatten einmal mehr über Banker-Boni geredet und über Obamas anhaltende Probleme sowie darüber, dass der neue Bürgermeister von London die Gelenkbusse doch nicht aus dem Verkehr gezogen hatte, sodass wir fast schon erleichtert waren, über Joannas neue Arbeitsfläche aus Ahornholz sprechen zu können.
    »Nein, es sieht gut aus, und es hält eine Menge aus.«
    »Wie wir, mit anderen Worten.«
    »Musst du das Holz oft ölen?«
    »Es gibt so eine Formel: Eine Woche lang einmal täglich, einen Monat lang einmal wöchentlich, ein Jahr lang einmal monatlich, und danach je nach Lust und Laune.«
    »Klingt wie die Formel für ehelichen Sex.«
    »Dick, du Ekel.«
    »Ach, deshalb hast du so oft geheiratet.«
    »Da fällt mir ein –«
    »Sind das nicht die vier unheilverkündendsten Wörter überhaupt: ›Da fällt mir ein‹?«
    »…müssen wir jetzt rapportieren, wie die Hausaufgaben ausgefallen sind, die wir das letzte Mal aufbekommen haben?«
    »Hausaufgaben?«
    »Ob ihr nach dem Nachhausekommen das Tier mit zwei Rücken gemacht habt.«
    »Sollten wir das? Ich kann mich nicht daran erinnern.«
    »Ach, vergiss es.«
    »Ja, ist es euch recht, wenn wir für diesen einen Abend ein Moratorium für Sexgespräche verhängen?«
    »Nur wenn du zuvor noch die folgende Frage beantwortest: Glaubst du, dass beim Thema Sex die Leute – mit Ausnahme aller Anwesenden natürlich – mehr lügen als bei irgendeinem anderen Thema?«
    »Soll das der Fall sein?«
    »Ich würde sagen, die anekdotische Evidenz – zu Deutsch: das Hörensagen – spricht dafür.«
    »Auch die wissenschaftliche Evidenz, würde ich meinen.«
    »Wie? Dass Leute bei Umfragen zugeben, dass sie bei einer früheren Umfrage gelogen haben, wenn es um Sex ging?«
    »Es ist schließlich nie jemand dabei.«
    »Außer du stehst auf ›dogging‹.«
    »›Dogging‹?«
    »Gibt es das bei euch in Amerika nicht, Larry? Gemeint ist, dass ein Paar es in der Öffentlichkeit macht, im Auto auf einem Rastplatz beispielsweise, sodass andere sich anschleichen und zuschauen können. Es kommt von ›to walk the dog‹, ›mit dem Hund Gassi gehen‹, denn das haben Voyeure immer gesagt, wenn sie erwischt wurden. ›Dogging‹ ist eine alte englische Tradition, wie Morris-Tanz.«
    »Ichweiß nicht, vielleicht in West Virginia …«
    »Jetzt reicht’s, Jungs.«
    »Im Grunde geht es um die Frage: Wie sollen wir wissen, ob jemand die Wahrheit sagt?«
    »Wie können wir von irgendetwas wissen, ob es stimmt?«
    »Sind wir jetzt bei der hohen Philosophie?«
    »Nein, eher bei der niederen Praxis. Ganz allgemein. Wie können wir überhaupt etwas wissen? Ich kann mich an eine Radiosendung erinnern, in der ein Intellektueller über den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gesprochen hat und zum Schluss gekommen ist, dass man nur eines mit Sicherheit sagen kann: ›Es ist etwas geschehen.‹ Das ist mir in die Knochen gefahren.«
    »Ach, hör auf damit. Wenn das

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