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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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schon, du Idiot.«
    Zuerst dachte ich, sie spreche mit mir. Dann begriff ich, dass sie sich nur über sich selbst ärgerte, sich für sich selbst schämte,und das umso mehr, als ich ihre Unfähigkeit, die Schlüssel zu finden, – und vielleicht auch ihre Wut – miterlebte. Dabei hätte ich ihr das wohl kaum angekreidet. Während ich so dastand und zusah, wie sie sich abmühte, passierte zweierlei: Ich empfand etwas, was ich als Zärtlichkeit bezeichnen würde, wenn es nicht so ein ungestümes Gefühl gewesen wäre; und mein Schwanz bekam einen jähen Wachstumsschub.
    Ich erinnerte mich an meine erste Spritze beim Zahnarzt; während die Betäubung zu wirken begann, ging er hinaus, kam dann munter zurück, schob mir den Finger in den Mund, fuhr damit unten um den zu plombierenden Zahn herum und wollte wissen, ob ich etwas spüre. Ich erinnerte mich an das Taubheitsgefühl, wenn man zu lange mit übereinandergeschlagenen Beinen sitzt. Ich erinnerte mich an Geschichten, wie Ärzte einem Patienten mit einer Stecknadel ins Bein stechen, ohne dass der Patient irgendeine Reaktion zeigt.
    Ich hätte gern die Antwort auf folgende Frage gewusst: Wenn ich kühner gewesen wäre, wenn ich meine rechte Hand an ihre linke gehoben, zärtlich Handfläche an Handfläche, Finger an Finger gelegt hätte, wie wenn Liebende sich abklatschen, und wenn ich dann die Spitzen meines Zeige-, Ring- und Mittelfingers gegen die ihren gedrückt hätte – ob sie dann etwas gespürt hätte? Wie fühlt sich das an, wenn es da kein Gefühl gibt – für sie und für mich? Sie sieht, dass meine Finger an ihren liegen, spürt aber nichts; ich sehe, dass meine Finger an ihren liegen und spüre sie, weiß aber, dass sie nichts spürt?
    Und natürlich stellte ich mir diese Frage auch in einem weiteren, beängstigenderen Sinn.
    Ichüberlegte, wie das ist, wenn einer Handschuhe trägt und der andere nicht; wie sich Fleisch an Wolle anfühlt und Wolle an Fleisch.
    Ich versuchte mir alle Handschuhe vorzustellen, die sie tragen könnte, jetzt und in Zukunft – falls es eine Zukunft geben sollte, in der auch ich vorkäme.
    Ich hatte ein Paar braune Wollhandschuhe gesehen. Ich beschloss, sie würde angesichts ihrer Veranlagung noch mehrere andere Paare in verschiedenen Farben besitzen. Dazu noch wärmere aus Wildleder, für kältere Tage und Nächte: schwarz, stellte ich mir vor (passend zu ihren Haaren), mit einer dicken weißen Naht an den Fingern und einem Futter aus weißlichem Kaninchenfell. Und dann vielleicht noch ein Paar von diesen Handschuhen, die wie Pfoten aussehen, nur mit einem Daumen und einem breiten Beutel für die Finger.
    Bei der Arbeit trug sie vermutlich Operationshandschuhe aus dünnem Latex, die nur eine ganz geringe Barriere zwischen Arzt und Patient bilden – und doch macht jede Barriere das grundlegende Gefühl von Fleisch an Fleisch zunichte. Chirurgen tragen eng anliegende Handschuhe, bei anderem medizinischen Personal sitzen sie eher locker, so wie die, die man in Feinkostläden sieht, wenn man Schinken kauft und zusieht, wie die Scheiben von dem rotierenden Messer abgenommen werden.
    Ich überlegte, ob sie im Garten arbeitete oder je arbeiten würde. Dann könnte sie bei leichten Arbeiten in gut bestelltem Boden, beim Sortieren von Wurzeln und Sämlingen und feinem Laub Gummihandschuhe tragen. Aber sie würde auch ein festeres Paar brauchen – ich stellte mir eine Oberseite aus gelber Baumwolle vor und graues Leder an Innenfläche und Fingern – für gröbere Arbeiten: das Beschneiden von Bäumen und Sträuchern, das Lockern desBodens, das Ausreißen der Wurzeln von Winden und Nesseln.
    Ich überlegte, ob sie für Halbhandschuhe Verwendung hätte. Ich selbst habe nie verstanden, wozu die gut sein sollten. Wer trug so was schon, außer russischen Schlittenführern und Geizhälsen in Dickens-Verfilmungen im Fernsehen? Und wenn man bedachte, was mit ihren Fingerspitzen passiert war, kam das erst recht nicht in Frage.
    Ich überlegte, ob auch die Durchblutung ihrer Füße gestört war, und das hieße dann: Bettsocken. Wie würden die aussehen? Groß und wollig – vielleicht die Rugbystutzen eines Exfreunds, die ihr beim Aufstehen locker um die Knöchel fallen würden? Oder eng anliegend und weiblich? In einem Lifestylemagazin hatte ich knallbunte Bettsocken mit einzelnen Zehen gesehen. Ich überlegte, ob ich dieses Accessoire neutral finden würde, komisch oder irgendwie erotisch.
    Was noch? War sie vielleicht Skiläuferin und

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