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Unbekannt verzogen: Roman

Unbekannt verzogen: Roman

Titel: Unbekannt verzogen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Winter
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ein Timesharingprojekt aufschwatzen?«
    Helens eisiges Schweigen lässt es angeraten erscheinen, schnell zurückzurudern.
    »Wie hast du ihn kennengelernt?«, fragt Carol.
    »Durch eine Kontaktanzeige.«
    »Sprach die Frau, die immer sagt, man kann das Glück nicht erzwingen.«
    »Wie soll mich der richtige Mann denn finden, wenn ich ihm nicht verrate, wo er suchen soll?«
    Helen beginnt mit dem Zelebrieren ihres üblichen Teerituals. Die übel riechenden Kräuter, die sie in ihre Lieblingskanne löffelt, besitzen angeblich Heilkräfte, für ihre Freundin eigentlich Grund genug, das Gebräu keinem Gast vorzusetzen.
    »Aber dir ist schon klar«, sagt Carol, »dass Männer, die im Internet surfen, nichts als Sex im Sinn haben.«
    »Ich bitte dich, alle Männer haben Sex im Sinn.« Ein leisesLächeln spielt um ihre Lippen, ein Hauch von Vorfreude. »Sogar die Sensiblen, die angeblich eine Familie gründen wollen. Für die Sorte ist es dann natürlich besonders praktisch, dass so eine Familiengründung ohne ausgiebigen Geschlechtsverkehr nicht zu stemmen ist.«
    Sie gießt die Kräuter mit kochendem Wasser auf und beobachtet mit zufriedener Miene, wie es sich schlammgrün verfärbt.
    »Aber momentan geht’s ja auch noch gar nicht um Sex«, sagt sie, während sie die Kanne zum Sofa bringt. »Weil ich nämlich will, dass du mitkommst.«
    »Zu deinem Date?«
    »Das sag ich ja gerade. Es ist mehr ein gegenseitiges Beschnuppern.«
    »Könntest du das nicht besser ohne mich?«
    »Du bist meine beste Freundin. Wie will er mich kennenlernen, wenn er nicht sieht, mit welchen Menschen ich mich umgebe?«
    Ein seltsamer Ansatz. In etwa so, als wollte sie dem armen Mann eine Duftprobe ihres morgendlichen Mundgeruchs zukommen lassen, bevor er sie das erste Mal küssen darf.
    »Und wenn er dich mag, mich aber nicht?«, fragt Carol.
    »Dann kann er mir gestohlen bleiben. Soll er sich eine andere suchen.«
    »Ja, aber mir geht’s doch nicht um ihn, sondern um dich.«
    »Na toll, meine beste Freundin findet also, ich soll mir den erstbesten Typen schnappen, der ein Fünkchen Interesse für mich zeigt.«
    »So habe ich das nicht gemeint.«
    »Wenn du’s genau wissen willst: Mir haben jede Menge Männer auf meine Anzeige geschrieben.«
    »Was für Männer?«
    »Spielt das denn eine Rolle?«
    »Ich finde, wenn sie alle über sechzig waren, zählen sie nicht.«
    »Sie waren nicht alle über sechzig.«
    »Und die anderen sitzen im Knast.«
    »Kommst du jetzt mit oder nicht, Carol?«
    »Was, wenn ich nein sage?«
    »Dann lock ich dich in die Falle. So oder so, du bist dabei. Ich will wissen, was du von ihm hältst.«
    Da Bob möglicherweise nicht in der besten Gemütsverfassung sein wird, wenn er nach Hause kommt, beschließt Carol, vorsichtshalber jede Menge Nervennahrung für ihn einzukaufen. Zumindest ist das ihre Ausrede. In Wahrheit ist sie einfach gern im Supermarkt. Der Supermarkt war schon immer eine Bob-freie Zone, und Sophie würde sich eher erhängen, als etwas so Nützliches zu tun wie Lebensmittel einkaufen.
    Schier überwältigt von der Warenflut, wandert sie zwischen den Regalreihen umher. Jeder Artikel scheint eine Geschichte zu erzählen, scheint Möglichkeiten zu eröffnen, die mit Carols eigenem Leben nicht das Geringste zu tun haben. Sie malt sich in leuchtenden Farben aus, wie ihr Leben wohl aussähe, wenn sie zu den Leuten gehören würde, die Bioziegenmilch oder dunkles Sesamöl aus gerösteten Samen kaufen.
    Am liebsten hält sie sich bei den Kräutern und Gewürzen auf. Sie kann sich vorstellen, wie sie, wenn sie jemand anders wäre, Fenchelsamen mit der Hand im Mörser zerstampft, bis es im ganzen Haus danach duftet. Was sie hinterher damit anfangen würde, ist ihr nicht ganz so klar – aber da stehen sie vor ihr, dreißig, vierzig Tütchen mit Fenchelsamen, die auf kulinarisch bewanderte Käufer warten. Auf Leute, deren Leben mehr Würze hat als ihr eigenes.
    Und fast glaubt sie es selbst, dass alles ganz anders gekommen wäre, wenn sie bloß die Kochsendungen mit Nigella Lawson aufmerksamer verfolgt hätte. Zwar wäre Bob mit Sicherheit noch mehr aus der Form geraten – keine sehr reizvolle Vorstellung –, aber Sophie … vielleicht ist es genau das, was ihnenfehlt. Mutter und Tochter, die gemeinsam in der Küche stehen und traumhafte Torten und köstliche kleine Küchlein zaubern. Plötzlich spiegelt sich für sie im unberechenbaren Backprozess die geheimnisvolle Alchemie menschlicher Liebe wider.
    Um ihre

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