Unberuehrbar
Strom, der pulsierend in ihn hineinfloss, ihn mit sich riss. Ehe er hineinstürzte in diese samtige Dunkelheit, wo von dem wilden Sog schon bald nichts mehr zu spüren war, wo ihn vertraute Schwärze umschloss, und die Kraft, die er dem Vampir gab, ihm um ein Vielfaches zurückgezahlt wurde.
O ja, dachte Red verschwommen. Er hatte Kris auch vermisst. Dies war etwas, das selbst Chase ihm nicht bieten konnte. Wie hatte er das vergessen können? Chase nahm nur von ihm. Er gab nie etwas zurück. Aber Kris war anders. Was sie teilten, war unbezahlbar.
Eine Ewigkeit standen sie eng umschlungen da, noch lange nachdem Kris sich von Red gelöst hatte. Red, weil er etwas brauchte, um sich festzuhalten, während die ungewohnte Überdosis Relacin ihn schwanken ließ; ihn zugleich hellwach und unendlich müde machte und endlich das dumpfe Gefühl aus seinem Kopf spülte, das der Whisky hinterlassen hatte. Und Kris hielt ihn, weil er Red niemals fallen lassen würde. Niemals.
Sie ließen sich erst los, als es erneut im Unterholz raschelte. Wütende Schritte, die Red nur zu gut kannte.
Ein Lachen vibrierte in Kris’ Brust, und er lockerte den Griff um Reds Hüfte, um sich umzudrehen – gerade als ein selbst für seine Verhältnisse außergewöhnlich finster dreinschauender Chase auf der Bildfläche erschien. Er baute sich zwischen den Bäumen auf und starrte Kris vernichtend an.
»Bist du jetzt fertig, oder was?«
Kris’ Lächeln vertiefte sich ein wenig. »Danke, Chase«, sagte er sanft. »Es war sehr taktvoll von dir, zu warten.«
Chase schnaufte und warf einen grimmigen Blick zu Red hinüber, der sofort klarmachte, dass er keinesfalls aus freien Stücken zurückgeblieben war – genau wie Red vermutet hatte. Ein wenig verstimmt verschränkte er die Arme vor der Brust. Was lief denn da zwischen den beiden? Was auch immer es war, dachte Red, er hatte wirklich nicht das Bedürfnis, sich einzumischen. Er schüttelte den Kopf und sah wieder zu Kris hinüber. »Apropos Wiedersehen: Wo bist du überhaupt die ganze Zeit gewesen?«
Kris hob leicht die Schultern und schob seine Hände zurück in die Hosentaschen. Auch sein Blick flog noch einmal zu Chase, aber er ging bereitwillig auf den Themenwechsel ein.
»Ich war bei den schottischen Vampirlords vorstellig. Da wir offiziell als parlamentarisch geförderte Wissenschaftler unterwegs sind, gehört das unbedingt zum guten Ton, habe ich mir sagen lassen. Man kann hier nicht einfach in irgendeine verlassene Burg ziehen. Das Land ist ja im Großen und Ganzen unbewohnt, aber ein paar unverbesserliche und vor allem enorm traditionsbewusste Lords hocken nach wie vor in ihren Castles und klammern sich an nostalgische Bräuche.« Er grinste schief. »Nun ja, vielleicht würde ich das auch tun, wenn ich mir dann ein Rudel Menschen halten und auf Blutkonserven verzichten dürfte.«
Red hob die Brauen. »Ach, so ist das? Hast du also vor, ein schottischer Vampirlord zu werden?«
Kris lachte leise. »Wer weiß.« Er legte leicht den Kopf schief und sah Red mit liebevollem Spott an. »Warum nicht – wo mein bester Jäger uns doch jetzt ein Rudel aufgetrieben hat, das wir nicht für einen Haufen Geld in einem OASIS-Camp einkaufen müssen. Stimmt’s, Chase?«
»Dein
einziger
Jäger«, knurrte Chase und trat näher zu ihnen. »Der darüber hinaus nichts zu jagen hat. Ganz toll.«
»Zum Glück hat er ja dich«, erwiderte Kris freundlich. Dann aber schüttelte er den Kopf, und sein Gesicht wurde ernst. »Spaß beiseite. Ich muss sagen, ich bin überrascht. Lord Sinclair hat nur erwähnt, dass dieses Gebiet seit Ewigkeiten verlassen ist und dass es keine Schwierigkeit darstellen sollte, eine unbewohnte Burg zu finden, in der wir hausen können – wenn man davon absieht, dass es wohl durchs Dach regnen wird. Von Menschen in der Gegend hat er kein Wort gesagt. Erst recht nicht von so einer großen Siedlung. Ich frage mich, wieso.«
Red runzelte nachdenklich die Stirn. »Keine Vampire seit hundertfünfzig Jahren. Zumindest hat Elizabeth das gesagt. Vielleicht hat man sie einfach vergessen?«
Kris hob erstaunt die Brauen. »Hundertfünfzig, sagst du? Bist du sicher?«
Chase ließ ein trockenes Lachen hören. »Elizabeth heißt sie also. Na, wie auch immer. Ich denke, wenn die in diesem Nest keine Vampire kennen, dann bleibt das auch besser erstmal so. Wenn’s nach mir geht, braucht echt keiner zu wissen, dass wir hier sind.«
Kris verschränkte die Arme vor der Brust und nickte
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