Unbescholten: Thriller (German Edition)
überrascht an. Der Stuhl, auf dem er gesessen hatte, kippelte noch einen Moment auf zwei Beinen, dann siegte die Schwerkraft. Anders Ask fiel krachend hintenüber.
Lars legte den Mundschutz an, trat zu ihm und ging in die Hocke. Anders starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, sein Kopf lag in einer Blutlache.
»Du bist ein Arschloch, Anders Ask. Glaubst du denn, ich bin total bescheuert?« Lars nahm einen schwachen Geruch nach verbranntem Fleisch wahr. »Ich lebe, und du musst sterben.«
Anders sah aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. Sein Mund stand noch immer offen.
»Ich höre dich nicht, Anders«, flüsterte Lars. »Aber du wirst in die Hölle kommen. Du hast Frauen getötet. Und da liegt ein Junge im Krankenhaus, der vielleicht für den Rest seines Lebens gelähmt sein wird. Wahrscheinlich haben sie in der Hölle noch ein Untergeschoss für solche wie dich.«
Dann stand Lars auf, öffnete das Küchenfenster und wischte seine Waffe an einem Geschirrtuch ab, während er die Leiche unverwandt anstarrte. Was fühlte er? Reue? Nein. Erleichterung? Nein, er empfand gar nichts.
Lars stellte das Küchenradio auf die höchste Lautstärke.
Dann hockte er sich wieder neben Anders, nahm die rechte Hand des Toten und legte die Pistole hinein, richtete sie auf das offene Fenster und achtete darauf, dass die Schmauchspuren so gut wie möglich auf Anders’ Hand zu finden sein würden. Dann drückte er ab.
Das Nachrichtenprogramm übertönte den Schuss, die Kugel flog durch das Fenster, über den Vanadislunden, dann weiter über den Bahnhof Östra Station und fiel irgendwo in Lidingö zu Boden. Die Nachbarn hatten möglicherweise zwei Schüsse gehört. Aber so war das eben. Zeugen täuschten sich, das wusste man als Polizist am besten.
Lars schloss das Fenster, betrachtete Anders’ Position auf dem Boden und rechnete aus, wie die Pistole ihm aus der Hand hätte fallen müssen, und legte sie vor ihm auf den Boden. Dann ging er ins Schlafzimmer, nahm Anders’ Reisetasche und packte sie wieder aus. Er legte die Kleidung zurück in den Schrank, den Pass in die Schreibtischschublade, machte die leere Tasche zu und schob sie unter das Bett.
Bevor er die Wohnung verließ, zog er die Latexhandschuhe aus, legte Schuh- und Mundschutz ab, dann machte er leise die Tür hinter sich zu.
Lars schlief tief und fest in dieser Nacht und wachte morgens um halb sechs auf. Er bestellte sich Kaffee aufs Zimmer, Hunger hatte er nicht. Dann wartete er bis acht, bevor er zum Telefon griff. Der Mann, den er anrief, war zurückhaltend, doch Lars bestand auf seinem Anliegen.
Er duschte und bügelte sein Hemd. Jetzt stand er vor dem Badezimmerspiegel und kämmte sich das Haar.
Seine Schuhe waren frisch geputzt. Vor dem Spiegel probierte er verschiedene Gesichtsausdrücke aus, das fiel ihm nie schwer, wenn er unter Medikamenten stand. Er wollte wie jemand aussehen, der schwer einzuschätzen war. Schließlich knöpfte er sein Hemd zu, nahm das Jackett, das über der Stuhllehne hing, und zog es an. Er hob seine Tasche vom Bett und verließ das Zimmer.
Lars hatte den Mariatorget ausgewählt, einen offenen kleinen Park, den man leicht überblicken konnte.
Lars stand ganz oben im Treppenhaus eines Gebäudes und spähte durch ein Fernglas über den Park hinweg. Es war 11:44 Uhr. Um halb zwölf waren sie verabredet gewesen. Er schaute sich suchend um. Da waren vor allem Mütter mit Kinderwagen, schaukelnde Kinder, der eine oder andere Vater, der gebückt seinen Einjährigen an der Hand führte. Lars schwenkte das Fernglas zur Hornsgatan, auch dort entdeckte er ihn nicht. Autos, ein paar Menschen, die spazieren gingen, dazu ein paar fettleibige Landeier, die wohl in Stockholm Urlaub machten und an dem kleinen Kiosk Eis aßen.
Er ließ das Fernglas sinken und schaute auf die Uhr. 11:48 Uhr. Sollte er einfach gehen? Er ließ den Blick ein letztes Mal über den Park wandern. Und da entdeckte er einen Mann, der allein auf einer Bank saß. Er schaute genauer hin. Der Mann hatte einen Arm auf die Rückenlehne gelegt, er trug einen Schnurrbart und hatte eine kleine, runde Glatze auf dem Schädel. Meine Güte, natürlich, das war er.
Lars wählte eine Nummer auf seinem Handy. Er hielt es ans Ohr und beobachtete durch das Fernglas, wie der Mann nach dem Telefon in seiner Tasche suchte und das Gespräch annahm.
»Ja?«
»Tommy Jansson?«
»Ja.«
»Ich habe mich ein bisschen verspätet. Geben Sie mir noch fünf Minuten.«
Lars legte auf und
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