Unbescholten: Thriller (German Edition)
Krankenhaus als einen der beiden Männer identifiziert, die am frühen Abend ins Trasten gegangen waren – zu siebzig Prozent, wie er sagt. Und Carlos wurde in derselben Nacht misshandelt. Die Matte im Kofferraum von Sophies Auto ist ein bisschen zu klein und erst vor Kurzem eingeklebt worden, Anders hat auch Reinigungsmittel gerochen. Glauben wir da immer noch an einen Zufall?«
Eva betrachtete die weiße Tafel, ohne zu antworten. Gunilla wendete sich wieder ihren Aufzeichnungen zu und überlegte eine Weile. Dann stand sie auf, ging zum Schreibtisch, nahm ihre Halskette ab und schloss mit dem Schlüssel, der daran hing, die mittlere Schublade ihres Aktenschränkchens auf. Sie nahm ein schwarzes Notizbuch heraus, versperrte die Schublade wieder und verließ das Zimmer.
Gunilla trat auf die Brahegatan. Sie bog nach links ab und ging den Valhallavägen entlang, bis sie eine Bank fand, gegenüber dem Eingang zur U-Bahn-Station »Stadion«.
Inmitten des Verkehrslärms schloss sie die Augen und überließ sich ihren Gedanken. Vor ihrem inneren Auge sah sie Sophie Brinkmann, sie sah ihren Gesichtsausdruck, ihre Handbewegungen und hörte ihre Stimme. Wie sie den Kopf zurückwarf und ihre drei verschiedenen Arten zu lächeln: das ehrliche, das höfliche und das fragende Lächeln. Sie hörte drei unterschiedliche Tonfälle: den natürlichen, den zögernden und den unehrlichen. Gunilla dachte an die Autofahrt mit ihr und an Sophies Gesichtsausdruck, als sie selbst von dem Schuldgefühl erzählte, das bei Gunilla die Elternlosigkeit auslöste. Sie hörte noch einmal Sophies Stimme, ehrlich und leise, aber ausweichend. Sie erinnerte sich an Sophies Miene, als sie ihr erzählt hatte, dass sie beschattet wurde, und dann fragte: »Wie fühlt sich das an?« Da hatte Sophie anders geklungen, als sie antwortete, da hatte sie gelogen. Und wie war Sophies Stimme bei dem Telefongespräch, in dem sie beteuert hatte, sie wäre vom Trasten direkt nach Hause gefahren, nachdem Hector verschwunden war? Es war der gleiche Tonfall, Sophie hatte sie angelogen!
Gunilla sah die genaue Abfolge vor sich: Hector verschwindet aus irgendeinem Grund aus dem Restaurant. Sophie und Aron helfen ihm, was Sophie leugnet.
Gunilla kehrte in die Gegenwart zurück und hörte ihren eigenen Atem, den leichten Wind in den Bäumen, den Verkehr und die Menschen. Sie blinzelte und öffnete die Augen. Dann schlug sie ihr schwarzes Notizbuch auf und schrieb ihre Gedanken auf. Und das Bild wurde klarer: Sophie Brinkmann folgte ihrem eigenen Plan. Sie ließ sich nicht steuern, weder von Hector noch von der Polizei. Sie suchte ihren eigenen Weg. Man musste sie auf andere Weise in den Griff bekommen.
Gunilla stand auf und ging ins Büro zurück. Sie rief ihren Bruder Erik an und sagte, dass sie mit ihm eine Idee besprechen wolle.
––––––––
Albert war glücklich, als er ihr Haus verließ, den Geschmack ihres Kaugummis noch im Mund. Seit zwei Wochen waren sie nun zusammen. Sie hieß Anna Moberg und hatte ihm immer schon gefallen.
Er lief die Straße hinunter und stellte fest, dass ihm ein Auto folgte. Er ging noch ein paar Schritte, dann blieb er stehen.
Das Auto fuhr noch ein Stück und hielt dann ebenfalls an. Albert überquerte die Straße und beschleunigte seine Schritte. Ein Seitenfenster wurde heruntergelassen.
»He, du!«
Albert drehte sich um und sah einen kräftigen Mann in Windjacke hinter dem Steuer.
»Albert Brinkmann?«
Albert nickte.
»Komm her, ich will mit dir reden.«
»Nein, ich muss nach Hause.« Er spürte, wie nervös er klang.
Der Mann im Auto winkte ihm mit der Hand. »Komm her, ich bin von der Polizei.« Der Mann zeigte ihm seinen Dienstausweis.
»Ich heiße Hans Berglund, setz dich nach hinten.«
Albert zögerte. »Setz dich auf den Rücksitz«, wiederholte der Polizist.
Die Sitze waren mit Velours bezogen. Es roch nach Essen, Hamburger wahrscheinlich. Hans Berglund sah Albert im Rückspiegel an.
»Du sitzt ganz schön in der Tinte.«
Albert sagte nichts. Es klickte, als Berglund die Zentralverriegelung aktivierte. Er drehte sich um und sah Albert direkt in die Augen.
»Tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich rede.«
Die Ohrfeige kam ganz unvermittelt. Hasse schlug ihm mit der flachen Hand an den Kopf, und Albert knallte gegen das Seitenfenster. Für eine Sekunde begriff er gar nichts, dann kam der Schmerz.
»Wovon reden Sie, ich habe nichts getan«, stammelte er. Ihm kamen die Tränen, und er zitterte am
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