Unbescholten: Thriller (German Edition)
ganzen Körper.
»Nein, Albert, ich erwische nie den Falschen.« Hasse starrte ihn an. »Ich habe gerade eben mit einem Mädchen gesprochen, oder soll ich lieber sagen, mit einem Kind? Vierzehn Jahre alt. Sie hat erzählt, du hättest sie auf einer Party vor zwei Wochen vergewaltigt. Und weißt du was?«
Albert schwieg und hielt sich den Kopf. Es tat weh.
»Und weißt du was?« Jetzt brüllte Hasse.
Albert zwang sich, ihm in die Augen zu sehen.
»Nein?«
»Ich glaube ihr. Drei Jungs haben sich als Zeugen gemeldet, außerdem haben wir ein ärztliches Gutachten. Vierzehn bedeutet minderjährig. Das nimmt ein Richter nicht auf die leichte Schulter, das kann ich dir sagen.«
Alberts Angst legte sich ein wenig.
»Ja, aber dann haben Sie wirklich den Falschen. Ich heiße Albert Brinkmann, ich wohne hier in Stocksund, gleich da vorn.«
Er zeigte in Richtung seines Zuhauses. Hasse lehnte sich in seinem Sitz zurück.
»Warst du auf der Party auf Ekerö …«, Hasse schaute in sein Notizbuch, »Kvarnbacken, am 14. dieses Monats?«
»Ich weiß nicht mehr, wie das genau hieß.«
»Aber du warst auf dieser Party?«
Zögernd antwortete Albert. »Aber ich habe dort kein Mädchen kennengelernt. Ich bin mit einem anderen Mädchen zusammen.«
»Dann bist du also ein geiler kleiner Bock, Albert?«, fragte Hasse in vertraulichem Ton. »Das sind wir alle. Aber wenn es in die falsche Richtung geht, dann komme ich ins Spiel und sorge für Recht und Ordnung. Das ist mein Job, weißt du.«
Es war stickig im Auto.
»Aber ich habe nichts getan«, flüsterte Albert.
Hasse bleckte die Zähne, klappte den Sonnenschutz herunter und betrachtete sein Grinsen im Spiegel.
»Wir fahren in die Stadt, nach Norrmalm. Da gibt es Zeugen, die werfen einen Blick auf dich. Wenn es so ist, wie du sagst, kannst du gehen. Okay?«
Albert nahm sich zusammen. »Wie heißt denn das Mädchen?«, fragte er.
Hans Berglund knallte den Sonnenschutz wieder nach oben, ließ den Motor an und fuhr in die Stadt. Er hatte nicht vor, Alberts Frage zu beantworten.
––––––––
»Ach, hier bist du, Telefon für dich, es ist Albert.«
Sophie lächelte ihrer Kollegin zu und ging in die Rezeption, setzte sich und nahm den Hörer auf, der auf dem Schreibtisch lag.
»Hallo, mein Schatz.«
Am anderen Ende hörte sie ihren Sohn weinen wie ein kleines Kind, er konnte vor Schluchzen gar nicht erzählen, was passiert war. Sie hörte zu, beruhigte ihn und sagte, sie mache sich auf den Weg.
Auf der Polizeiwache musste sie auf einem leeren Flur in einem der oberen Stockwerke warten. Sie saß ganz allein dort. Die Bürotür ihr gegenüber war angelehnt, das Zimmer leer. Dann hörte sie Schritte auf dem Flur. Ein großer, bärtiger Mann mit einer Plastikmappe in der Hand kam auf sie zu. Er stellte sich ihr als Erik Strandberg vor und setzte sich neben sie auf die Bank. Er roch nach altem Schweiß, der sich in den Kleidern festgesetzt hatte.
»Ihr Sohn Albert. Hat er Ihnen erklärt, um was es geht?«
Seine Stimme war tief und gewöhnlich.
»Das ist alles ein Missverständnis …«
Erik rieb sich die Augen und kratzte sich ein wenig an der Stirn. Er wirkte müde und überarbeitet.
»Er hat sich anscheinend an einem Mädchen vergangen …«
»Das kann nicht sein«, widersprach Sophie. »Und jetzt möchte ich ihn sehen.«
Erik räusperte sich. »Ja, gleich.«
»Nein, jetzt. Oder soll ich meinen Anwalt anrufen?«
»Das wird nicht nötig sein.«
Sie sah ihn fragend an. »Was soll das heißen?«
»Was ich gesagt habe: Das wird nicht nötig sein. Lassen Sie uns erst einmal reden, in Ordnung?«
Sophie sah ihn an. Sein dichter Bart machte es schwierig, seine Miene zu deuten.
»Vielleicht ist es ja so, wie Sie sagen«, begann Erik. »Dass Albert nichts getan hat. Aber es ist nicht so einfach, wie Sie denken. Wir sind Polizisten, wir wissen, was wir tun.«
Sie versuchte zu verstehen, was er meinte.
»Hier, lesen Sie … Das wird Ihnen ein Bild von der Situation geben.«
Er reichte ihr die Mappe. Sophie schlug sie auf. Es waren drei Zeugenaussagen. Sie las auszugsweise, was Albert an diesem Abend getan haben sollte.
»Das ist richtig blöd für einen so jungen Burschen, und vielleicht ist es ja auch so, wie Sie sagen, aber nun sitzt er hier, und wir haben diese Zeugenaussagen. Das sind schwerwiegende Vorwürfe.«
Erik stand auf und kontrollierte den Korridor. Sie waren nach wie vor allein.
»Sie können den Jungen jetzt mit nach Hause nehmen«,
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