Unbescholten: Thriller (German Edition)
auf den Küchenfußboden. Verwirrt blieb er sitzen und sah die verschwommenen Umrisse von Kling und Klang durch die Tür verschwinden.
Sein Puls raste. Carlos spürte plötzlich einen Druck auf der Brust, sein Atem ging heftiger, das Herz schlug schneller, und ihm war schwindlig. Es gelang ihm, aufzustehen und langsam ins Bad zu gehen. Mit zitternden Händen nahm er drei Pillen aus der Schachtel mit dem Herzmedikament. Er schluckte sie und stützte sich mit beiden Händen auf das Waschbecken, atmete tief ein und aus, und sein Herzschlag fiel in einen ruhigeren Rhythmus zurück. Carlos betrachtete sein Spiegelbild. Er war ein in jeder Hinsicht geschlagener Mann.
Es gab nur zwei Möglichkeiten: Hector oder die Hankes. Er musste jetzt auf der Hut sein, durfte keine Fehler machen. Carlos wog Hector gegen die Hankes ab: Wer war der Stärkere, wer würde gewinnen? Er hatte keine Ahnung, er wusste nicht einmal, worum es bei dem Streit eigentlich ging. Er wusste nur, dass er seinen Chef verkauft hatte, von ihm verprügelt worden war und jetzt von der Polizei, die mehr zu wissen schien, als sie zugeben wollte, auf ihn angesetzt wurde.
Carlos betrachtete sein zerschlagenes Gesicht. Das war Hector gewesen. Jetzt waren sie eigentlich quitt.
Er verließ das Badezimmer. Nein, sie waren nicht quitt, das war auch ihm klar. Aber es ging jetzt nicht um ihn, es ging um sehr viel mehr. Im Moment würde er niemanden anrufen, er würde sich ein bisschen Zeit lassen und schauen, wie sich die Dinge entwickelten. Dann würde er entscheiden, wessen Schoßhund er künftig sein wollte.
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Auf dem Tisch lag eine Menge Papier. Hector las. Ihm gegenüber saß Lundwall und am kurzen Ende des Tisches Aron.
»Ich habe die Unternehmen in Westindien und Macao als Investmentgesellschaften registriert«, sagte Lundwall. »Als Besitzer habe ich dich, Thierry, Daphne und deinen Vater eingetragen. Du hältst einundfünfzig Prozent und Adalberto fünfundvierzig, die dir zufallen, wenn er stirbt. Deine Prozente gehen im umgekehrten Fall auf ihn über. Thierry und Daphne besitzen zusammen vier Prozent und fungieren als Zeichner. Sie haben Vollmachten unterschrieben, die habe ich hier …« Lundwall schob vier Blätter über den Tisch. »Das gibt dir die Verfügungsgewalt über die Einlagen und Ausgaben der Unternehmen.«
Hector unterschrieb. »Was geschieht, wenn sowohl mein Vater als auch ich sterben sollten?«
»Dann erbt jemand anders die Anteile, das kannst du bei Gelegenheit noch festlegen. Ich habe die Papiere hier, du musst sie nur noch ausfüllen und unterschreiben, wenn du dich entschieden hast.«
Hector überflog die Dokumente. Er nahm sie, faltete sie zusammen, steckte sie in einen Umschlag, den er in seine Aktentasche legte.
Arons Handy klingelte. Er nahm das Gespräch an. »Ja?«
»Wir können unsere Ziele nicht erfüllen«, erklärte Svante Carlgren.
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Er hatte die Nummer gewählt, die ihm dieser Typ dagelassen hatte, und er hatte ihnen Informationen weitergegeben. Unwichtige Informationen. Er hatte es getan, um Zeit zu gewinnen.
Svante Carlgren ärgerte sich über diese scheiß Hure, die ihn so eiskalt verraten hatte. Am liebsten würde er ihren Kopf packen und ihn gegen die Wand schlagen. Er wollte ihr sagen, dass niemand es je geschafft hatte, ihn hinters Licht zu führen.
Nur leider war es ihr eben doch gelungen.
Er seufzte. Er wollte auch den Mann töten, der ihn bedroht hatte. In den letzten Tagen waren seine Gedanken vor allem darum gekreist, wie er aus dieser Geschichte wieder herauskommen konnte. Er hatte überlegt, den Mann selbst mit seiner Schrotflinte zu erschießen, der Purdey, mit der er immer auf Fasanenjagd ging und die in seinem Waffenschrank im Keller stand. Diesem Scheißkerl ins Gesicht schießen – zwei Schüsse würden genügen. Aber Carlgren wusste, dass das nicht funktionierte, man würde ihn festnehmen, das taten sie immer, wenn einer im Affekt handelte.
Er wählte die interne Nummer von Östensson in der Sicherheitsabteilung. Östensson ging sofort dran.
»Jepp?«
»Hier ist Svante Carlgren.«
»Guten Tag.«
»Ich habe eine Frage. Es geht um einen Freund von mir, der Hilfe braucht. Sie waren doch bei einem privaten Sicherheitsdienst angestellt, bevor Sie zu uns gekommen sind?«
»Ja, das stimmt.«
»Und wie funktionierte das da?«
»Kommt darauf an, wie Sie das meinen.«
»Gab es dort auch Leute, die damit beauftragt waren, Personen zu
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