Unbescholten: Thriller (German Edition)
sie?«
»Willst du das wirklich wissen?«
Gunilla antwortete nicht.
Tommy rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Sie sagt, sie versteht nicht, warum wir dir freie Hand lassen.«
»Und was antwortest du ihr, Tommy?«
»Ich sage, was ich immer sage, dass du zu meinen besten Leuten gehörst.«
»Und was sagt sie dann?«
Tommy trank einen Schluck und stellte die Tasse auf seinem Oberschenkel ab. »Dass es nichts gibt, was das bestätigen würde. Sie ist alle deine Fälle aus den letzten fünfzehn Jahren durchgegangen und meint, dass die Anzahl deiner Ermittlungsergebnisse weit unter dem Durchschnitt liegt.«
Gunilla seufzte. »Den Grund dafür habe ich dir gerade zu erklären versucht. Was sagt sie noch?«
»Das ist alles.«
»Nein, ist es nicht, das spüre ich doch.« Gunilla sah Tommy unbeirrt an.
Er senkte den Blick. »Sie sagt auch, dass der Grund für deine Arbeitsweise der ist, dass du dir etwas Eigenes aufbauen willst für den Fall, dass die Polizei in ein paar Jahren umstrukturiert wird.«
»Aha. Und?«
Tommy zuckte mit den Achseln. »Das sagt sie eben.«
»Dass ich ehrgeizig bin?«
Tommy seufzte. »Wenn du im Dunkeln tappst, Gunilla, wenn du nicht so viel hast, wie du gerne hättest, dann möchte ich, dass du mir das sagst. Ich habe dich früher geschützt, und ich werde es auch künftig tun. Aber wenn ich merke, dass du nicht offen und ehrlich zu mir bist …«
»Mach dir keine Sorgen«, erwiderte sie ruhig.
Er rieb sich die Augen. »Das tue ich aber.«
»Halt dich an unsere Vereinbarung, Tommy …«
»Welche Vereinbarung?«
»Dass ich nicht zwischendurch Bericht erstatten muss«, erklärte Gunilla.
»Wer hat gesagt, dass ich deshalb zu dir gekommen bin?«
»Weshalb solltest du sonst hier sein? Wegen der Zimtschnecken?«
»Natürlich wegen der Zimtschnecken.«
Keiner von beiden lächelte. Es gab vieles, worüber sie nicht erst sprechen mussten. Sie wussten einfach, dass sie in den meisten Dingen einer Meinung waren.
»Ich möchte wissen, wie weit du bist und wann du mit handfesten Beweisen bei deinen Ermittlungen rechnest«, sagte Tommy schließlich. »Und ich möchte wissen, ob du irgendetwas brauchst.«
»Ich weiß, worauf du hinauswillst, aber das wird dir nicht gelingen.«
»Wovon redest du, Gunilla?«
»Wenn du glaubst, du kannst hier Informationen bekommen, um dann jemand anderem den Fall zu übertragen, dann hast du dich geschnitten.«
Tommy schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht gekommen, um dich rauszuschmeißen.«
»Das habe ich auch nicht gesagt. Aber du sicherst dich ab, sammelst Informationen, und wenn du merkst, dass es nicht so läuft, wie du es dir wünschst, dann tauschst du mich aus. Wir haben eine Vereinbarung. Niemand kann daran etwas ändern, am allerwenigsten Berit Ståhl.«
»Scheiß auf Berit Ståhl«, sagte Tommy.
Gunilla entspannte sich.
»Danke …«
Er musterte Gunilla. »Du sitzt in der Scheiße«, sagte er schließlich.
»Was ist das denn für ein Vokabular?«
»Hab ich recht?«
Sie schüttelte den Kopf.
Sie hatten im Lauf der Jahre Hunderte solcher Gespräche geführt. Tommy wollte die Kontrolle, und Gunilla weigerte sich, sie ihm zu überlassen – es war immer dasselbe.
»Wie geht es Monica?«, fragte Gunilla.
Tommy ließ den Blick über den Garten schweifen. »Ganz gut, sie hat noch keine spürbaren Symptome.«
»Was sagen die Ärzte?«
Jetzt trafen sich ihre Blicke.
»Dass sie nichts Genaues wissen. Aber dass sie es wissen. Irgendwie so.«
»Was heißt das?«
»Dass sie ALS hat, eine Erkrankung des Nervensystems, die sich immer mehr verschlimmern wird. Unheilbar, und Monica wird wohl schon bald die ersten Symptome zeigen.«
Gunilla sah seine Besorgnis. Er drehte seine Tasse in den Händen.
»Weißt du, was das Schlimmste ist?«, fragte er sie.
Gunilla schüttelte den Kopf.
»Ich habe mehr Angst als sie.«
Nur das Summen der Insekten war zu hören und der Wind in den Bäumen. Tommy trank seinen Tee aus, stellte die Tasse auf den Tisch und erhob sich. Jetzt war er wieder Tomas Jansson, Chef des Reichskriminalamts.
»Ich halte an dir fest, Gunilla. Aber versprich mir, dass du dir Hilfe holst, wenn du sie brauchst.«
––––––––
Es war halb drei in der Nacht. Lars öffnete die Verandatür mit seinem Dietrich. Er zog seine Schuhe aus und machte zwei Schritte in das Wohnzimmer hinein. Alles war still, Sophie und Albert schliefen. Er schlich zu der Stehlampe neben dem Sofa und drehte sie um. Er fand das kleine,
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