Unbescholten: Thriller (German Edition)
tun hat, sie verschwand, als Sie mit ihr gearbeitet haben. Gilt das Gleiche für Sophie? Soll auch sie bald verschwinden?«
Sara setzte alles auf eine Karte. Sie hatte keine Ahnung, worum es hier eigentlich ging, sie wusste nur, dass da irgendetwas faul war. Sie hatte sich von Anfang an gefragt, warum Lars von einem Tag auf den anderen von der Streife zur Kriminalpolizei versetzt worden war, das kam ihr ziemlich ungewöhnlich vor.
Gunilla starrte Sara nur an. Dann blieb sie stehen, drehte sich unvermittelt um und ging davon. Auch Erik schien überrascht und konnte nichts anderes tun, als ihr hinterherzugehen.
Sara hatte ins Schwarze getroffen, das war ihr jetzt klar. Und sie hatte Gunilla nicht zum letzten Mal gesehen.
Auf der Fahrt zurück in die Stadt wirkte Gunilla nachdenklich. »Dummes, dummes Mädchen«, murmelte sie.
Erik saß hinter dem Lenkrad und schwieg.
»Warum ausgerechnet jetzt?«, fragte sie.
Er wusste, dass sie keine Antwort von ihm erwartete.
»Begreift sie denn gar nichts? Ist es schon wieder das gleiche Lied?«, sagte sie düster. »Wie konnte sie das alles herausfinden?«
»Wie ist sie überhaupt auf Patricia Nordström gekommen?«, fragte Erik.
Gunilla klappte den Sonnenschutz herunter und schaute sich im Spiegel an. »Ich weiß nicht, wie sie es herausgefunden hat, vielleicht hat sie einfach nur bei der Polizei danach gefragt. Aber das spielt auch keine Rolle. Sie hat etwas begriffen, was sie nicht hätte begreifen dürfen.«
»Hat Lars ihr dabei geholfen?«
»Keine Ahnung. Aber ich glaube kaum. Du hast ja gesehen, wie er sie zugerichtet hat.« Gunilla überlegte einen Moment. »Was hat sie gesagt, bevor sie von Patricia geredet hat?«
»Unerlaubtes Abhören …«
»Davor.«
»Albert …«
»Wie kann sie von Albert wissen?«, fragte sie.
Erik hatte keine Ahnung.
Gunilla seufzte und klappte den Sonnenschutz wieder hoch. »Wir warten noch mit Lars. Wir halten ihn bloß auf Abstand, wie immer. Aber Sara –«
Erik bog in den Strandvägen ein.
»Vielleicht ist es an der Zeit, Hans einzuweihen«, sagte Gunilla schließlich.
––––––––
Von seinem Panoramafenster im siebten Stock aus schaute Ralph Hanke auf die Innenstadt von München. Der Himmel war trüb. Die grauen Wolken hingen beinahe auf Höhe der Fenster.
Er stand oft dort, wenn er mit seinen Gedanken nicht weiterkam. Er konnte einfach besser denken, wenn er das Gefühl hatte, die Welt läge ein gutes Stück unter ihm. Heute trug er eine Strickjacke. Das kam im Büro eher selten vor, aber er mochte dieses Kleidungsstück. Er fühlte sich freier darin als in seinem Anzug. Er konnte klarer denken, wenn er sie trug, bewahrte einen kühleren Kopf und wurde paradoxerweise dennoch angriffslustiger, so wie heute. Das machte es für ihn einfacher, Entscheidungen zu treffen.
Es knisterte in der internen Sprechanlage.
»Herr Hanke?«
Die ruhige Stimme seiner Sekretärin erfüllte den Raum.
»Ja, Frau Wagner?«
»Herr Gentz ist jetzt da.«
»Er soll hereinkommen.«
Die Tür zu seinem Büro öffnete sich, und Roland Gentz trat ein. Er setzte sich in einen Sessel und holte einige Unterlagen aus seiner Tasche. Sie grüßten einander nicht, das hatten sie nie getan, wie in stiller Übereinkunft: Wenn sie arbeiteten, waren sie nichtgrüßende Männer.
Ralph Hanke stand immer noch am Fenster. Das trübe Wetter in Kombination mit all seinen Problemen weckte in ihm das Bedürfnis, etwas zu trinken. Er schaute auf die Stadt hinunter. »Willst du einen Drink?«
Roland Gentz blickte überrascht auf.
»Wann haben wir eigentlich damit aufgehört, tagsüber zu trinken?«, fragte Ralph Hanke.
Gentz überlegte. »Irgendwann in den Neunzigern … zur gleichen Zeit, als die Krawatten verschwanden.«
Ralph Hanke lächelte und ging zu seinem Schreibtisch.
»Zwei Dinge weniger, die das Leben so angenehm gemacht haben«, seufzte er. Er setzte sich. »Also?«
»Ja, warum eigentlich nicht.«
Ralph Hanke drückte auf den Knopf der Sprechanlage. »Frau Wagner. Zwei Single Malt ohne Eis.«
Er faltete die Hände und wartete. Roland blätterte in seinen Papieren.
»Wir haben das Geld für die drei Einkaufspassagen in Großbritannien bekommen. Aber wir haben immer noch Probleme mit Hamburg und dem Brückenbau. Es geht um die Hydraulik, das braucht seine Zeit. Wir werden den Vertrag mit den Amerikanern bekommen, aber auch da müssen wir Geduld haben, alle wollen mit dabei sein.«
Ralph Hanke hörte kaum zu, er hatte sich auf
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