Uncharted - Das vierte Labyrinth
versuchte sie, ihn zu beschwichtigen. „Ich komme mit Ihnen.“
„Nein“, schnappte Henriksen. Das war das erste Mal, dass sie ihn sprechen hörten. Er hatte eine autoritäre Stimme. „Ich brauche Sie hier.“
Olivia zögerte. Drake musterte sie, aber er konnte einfach nicht hinter ihre Fassade blicken. War sie wirklich ein Opfer von Henriksens Komplott, oder steckte sie mit ihm unter einer Decke und versuchte nur zu verhindern, dass er eine Dummheit beging und ihren gemeinsamen Plan gefährdete? Lag ihr Jada am Herzen? Traf es sie wirklich, dass ihr Ehemann ermordet worden war? Oder hatte sie sogar dabei geholfen, ihn zu ermorden?
„Natürlich“, meinte sie und stieß Jada leicht an. „Ich sehe dich dann draußen. Geh nicht zu weit weg.“
„Sicher doch“, erklärte Drake. Sein Blick huschte zu Henriksen. „Wir bleiben in der Nähe.“
Er hielt dem eisigen Blick des Norwegers stand, während dieser aus dem Weg ging. Deutlich spürte Drake das Gewicht der Pistole, die er hinten in seinen Hosenbund gesteckt hatte, und er hoffte nur, dass er sie nicht einsetzten musste, schon gar nicht in einem engen Tunnel wie diesem.
„Was haben Sie gefunden?“, fragte Melissa, als die drei an ihr vorbeigingen. „Was ist dort unten?“
Drake sah sie an, dann wieder Henriksen, und am liebsten hätte er dem Bastard gesagt, dass sie ihn geschlagen hatten. Dass sie das Geheimnis des Labyrinths zuerst entdeckt hatten. Und dass sie der Lösung des Rätsels schon viel näher gekommen waren – dem Rätsel, für das Luka Hzujak gestorben war.
„Geheimnisse“, sagte er und lächelte Henriksen zu. „Unglaubliche Dinge, die man nie erwarten würde.“
Henriksen zog die Mundwinkel nach unten und reckte das Kinn vor. „Einige Geheimnisse können gefährlich sein. Manchmal ist es besser, wenn sie geheim bleiben. Man kann sehr reich werden, wenn man Geheimnisse bewahrt.“
Drake schmunzelte. Versuchte der Kerl etwa gerade, ihn zu bestechen? Nicht, dass er sich beleidigt gefühlt hätte, weil jemand anbot, ihn mit Geld zu überschütten, wenn er den Mund hielt. Aber er hielt Henriksen für einen arroganten Mistkerl, der sich aufführte wie der Herrscher der Welt. Menschen waren auf seinen Befehl hin ermordet worden – einschließlich Jadas Vater – , weil er meinte, etwas Besonderes zu sein und sich nicht an Regeln halten oder seine Entdeckungen mit der Welt teilen zu müssen.
Sully nahm Jadas Hand und ging mit ihr voraus den Korridor entlang, zurück zu der Treppe, die hoch ins Labyrinth führte. Drake blieb noch einen Moment stehen und starrte Henriksen an, dann warf er Melissa einen kurzen Blick zu und lächelte.
„Nichts bleibt ewig geheim.“
Nach diesen Worten ging er los, wobei er darauf achtete, Henriksen nicht den Rücken zuzukehren. Nicht, dass er wirklich glaubte, der Kerl würde ihn jetzt noch erschießen – falls er die Wände neu mit seinem Blut streichen wollte, hätte er es längst getan – , dennoch war es alles andere als angenehm, diese kalten, seelenlosen Augen, die ihn am liebsten tot gesehen hätten, hinter sich zu wissen. Er musste sich zusammenreißen, um nicht loszustürmen.
Das hat nichts mit Angst zu tun, dachte er, ich bin nur nicht dumm .
Eine Viertelstunde später waren sie wieder unter freiem Himmel.
Weitere vier Minuten später saßen sie in ihrem Volvo und rasten durch die Wüste, wobei sich jeder von ihnen fragte, wie lange die Behörden wohl brauchen würden, um eine Fahndung einzuleiten, nachdem die Leute von der Ausgrabungsstätte sich mit ihnen in Verbindung gesetzt hatten.
Noch einmal drei Stunden später waren sie auf einem Boot, das in nördlicher Richtung den Nil hinauffuhr, auf Port Said zu. Sie hofften dort einen Schiffskapitän zu finden, der sie nach Nordwesten bringen würde, über das Mittelmeer nach Santorini. Natürlich gab es in Port Said auch Fähren, aber die würden unterwegs vermutlich mehrere Zwischenstopps einlegen, was die Überfahrt um zwei oder drei Tage verlängert hätte – und sie durften keine Sekunde vergeuden. Ihr Vorsprung auf Henriksen würde nicht sehr lange halten. Der Kerl hatte mehr Geld als Gott, und er konnte unter seinem echten Namen reisen, während sie überall eine falsche Identität angeben mussten, die einer genaueren Überprüfung nicht standhalten würde.
Trotzdem gab es auch einiges, was für sie sprach. Welch hatte ihnen, bevor er entführt und womöglich ermordet worden war, noch gesagt, wo das dritte Labyrinth zu finden war.
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