Und am Ende siegt die Liebe
sich mit dem Handrücken das Wasser aus den Augen wischte, bemerkte sie, daß die Matrosen einen Schritt vor ihm zurückwichen. Es dauerte eine Weile, ehe sie begriff, daß der Kapitän einen von ihnen den Befehl gegeben haben mußte, an den Wanten hinaufzuklettern zu der beschädigten Stelle am Mast, und sie hätte ihm am liebsten zugerufen, was sie von seinem Befehl hielt. Doch das durfte sie natürlich nicht, weil sie Travis sonst verraten hätte, daß sie nicht unten in ihrer Kabine geblieben war.
Sie sah zu ihm hin, und wäre am liebsten im Boden versunken; denn Travis hatte sie bereits entdeckt und bewegte sich auf die Stelle zu, wo sie sich festklammerte. An seinem wilden Blick, der selbst die tobende Wut des Sturmes zu übertreffen schien, konnte sie ermessen, was er von ihrem Verhalten dachte, und ohne lange zu überlegen, begann Regan den Rückzug zur Tür unter dem Quarterdeck anzutreten.
Sie war keine zwei Schritte weit gekommen, als sie den Griff seiner kräftigen Hände an ihren Schultern spürte. Er sagte kein Wort, das war auch nicht nötig. Es stand ihm ja alles deutlich im Gesicht geschrieben. Doch dann, als das Schiff so weit überholte, daß es fast zu kentern drohte, warf Travis sich über sie, drückte sie mit seinem Leib gegen die Planken und hielt sie mit seiner überlegenen Kraft dort fest. Als das Schiff sich langsam wieder aufrichtete, brüllte er ihr ins Ohr: »Dafür könnte ich dich jetzt verprügeln!«
Ehe sie etwas darauf sagen konnte, wurde sie von dem lauten Ruf des Kapitäns abgelenkt: »Ist denn kein einziger Mann unter euch?«
Während Travis Regan an beiden Armen festhielt wie ein Schraubstock, sah sie plötzlich David an der Reling und wußte sofort, daß er ihr aufs Deck gefolgt war. Selbst in diesem trüben Licht und in der sprühenden Gischt konnte sie deutlich die blauen Male in seinem Gesicht erkennen, die von Travis’ Faustschlag herrühren mußten. Ihre Blicke begegneten sich, und Regan wurde von einem brennenden Schuldgefühl erfüllt, weil sie in seinen Augen die Erkenntnis lesen konnte, sie habe ihn nur mißbraucht und einen Narren aus ihm gemacht.
Eine kleinere Welle spülte über das Deck und unterbrach ihren Augenkontakt. Als das Wasser wieder ablief, sah sie, daß David sich ein Stück weiterbewegt hatte, jedoch nicht mehr in ihre Richtung blickte. Er ging so aufrecht, wie es unter diesen Umständen nur möglich war, den Blick fest auf den Kapitän gerichtet.
Als er so weit gegangen war, daß er sich ungefähr auf Travis’ Höhe an Deck befand, blieb er stehen und rief: »Hier ist ein Mann, Kapitän! Ich werde für Sie auf den Mast klettern!«
»Nein!« schrie Regan und zog heftig an Travis’ Arm. »Halte ihn zurück!«
David hielt sich an der Reling fest, die sich am Fuße des Hauptmastes befand, und drehte Travis das Gesicht zu. Die beiden wechselten einen Blick, und Travis, der den stummen Appell von David zu verstehen schien, nickte kurz. Dann nahm er Regans Hände und suchte sie daran zu hindern, in das Geschehen einzugreifen.
Regan wollte sich vor ihm losreißen. Sie wollte David aufhalten, weil sie wußte, daß sein Vorhaben einem Selbstmordversuch gleichkam, den sie auf ihr Gewissen nehmen mußte. Doch als sie erkannte, daß sie David nicht zurückhalten oder umstimmen konnte, wurde sie so still und passiv wie die Mannschaft. Travis verkeilte sich mit Hüften und Beinen zwischen Reling und einer Kanone und drückte Regan mit beiden Händen an seine Brust. Doch seine Augen ließen David keine Sekunde lang los.
Der Kapitän schien froh, endlich jemanden gefunden zu haben, der seinen Befehl ausführen wollte. Er gab David mit lauter Stimme Instruktionen, während er ein Tau um dessen Hüften band. Aus den Gesten und Wortfetzen, die Regan aufschnappte, wurde deutlich, daß David zu der ersten geborstenen Rahe hinaufsteigen, dann auf das schmale Rundholz hinaufkriechen und mit dem Seil das geknickte Ende der Rahe wieder festzurren sollte.
Regan konnte nur ungläubig stöhnen. Sie fand keine Worte für ihre Fassungslosigkeit, daß die Mannschaft es zulassen konnte, einen Passagier in den sicheren Tod zu schicken.
In ihrer Panik wollte sie ihr Gesicht in Travis’ Schulter verstecken, doch er zwang ihren Kopf in die Höhe, damit sie David ansehen mußte, der breitbeinig am Mastfuß stand und nur darauf zu warten schien, ihr zum Abschied noch einmal in die Augen zu schauen.
Regan hob ihm beide Hände entgegen, ließ sie hilflos wieder sinken, stand
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