Und am Ende siegt die Liebe
Gedeih und Verderb aneinandergekettet, falls einem der beiden bei dem Abstieg zum Deck etwas zustieße.
Doch zunächst folgte wieder ein längerer Wortwechsel auf der Rahe. Travis suchte offenbar David zu überreden, das Rundholz loszulassen, an das er sich klammerte.
Regan glaubte, das Herz bliebe ihr stehen, als Travis an dem Seil zog, um David zu ermuntern, auf den Hauptmast zuzukriechen. Travis konnte doch nicht so lange dort oben ausharren, bis ein Brecher ihn vom Mast riß! Doch er wartete geduldig, bis David sich endlich in Bewegung setzte. Langsam, jeden Muskel einzelnd anspannend, schob David sich wieder an den Hauptmast heran, und Travis half dem Jüngeren, die Stiefelkappen in die Löcher der Wanten zu schieben. Dann nahm er Davids Hände, als wäre dieser ein Kind, und hängte sie an den richtigen Stellen der Strickleiter ein.
Plötzlich blickte er aufs Meer hinaus, warf beide Arme um Davids Oberkörper und hielt sie so beide an den Wanten fest, bis der Brecher, den er rechtzeitig bemerkt hatte, über das Schiff hinweggebraust war. Dann begannen die beiden mit dem Abstieg.
Regans Herzschlag schien erst wieder einzusetzen, als die beiden noch ungefähr sechs Meter vom Deck entfernt waren. Sie sah, wie Travis den Mund bewegte, David den
Kopf schüttelte, Travis wieder auf ihn einredete, und David schließlich nickte. David setzte nun allein den Abstieg fort, während Travis das Seil nachführte, an dem David befestigt war, und dessen loses Ende an den Wanten festknotete.
Regan schoß aus der Hocke hoch: Travis wollte dem Jungen nur einen sicheren Abstieg verschaffen, indem er das Seil, das ihn mit David verband, an den Wanten befestigte! Falls die nächste Welle Travis aus den Wanten riß, ging er allein über Bord.
Und sie erkannte zugleich den Sinn dieses Manövers, weil Travis auf die See hinausblickte und dort etwas zu bemerken schien, was den Leuten unten auf Deck verborgen blieb. Die Augen liefen Regan über, als Travis das Seil, an dem David hing, um seinen mächtigen Unterarm wickelte, den anderen Arm in die Wanten hakte, das eine Bein anhob und mit dem Fuß gegen Davids Kopf trat, dessen Scheitel sich in der Höhe seiner Stiefelsohlen befand. David, im Klettern total ungeübt, verlor sofort den Halt in den Wanten, stieß einen Schrei aus und fiel ein paar Sekunden wie ein Stein, ehe das Seil, das um seine Taille geknüpft war, sich straffte. Nun hing er wie ein Pendel an Travis’ Unterarm und an dem Knoten in der Strickleiter.
David schrie abermals, als Travis ihn weiter abseilte, bis ihn die Matrosen, die am Mastfuß die Hände nach ihm ausstreckten, erreichen und rasch auf das Deck hinunterziehen konnten.
Regan sah das alles nur aus den Augenwinkeln, weil sie mit pochendem Herzen Travis beobachtete, der wieder auf das Meer hinausblickte. Rasch ließ er das Seil los, an dem David hing, griff mit beiden Händen in die Wanten und zog den Kopf ein, als müsse er ihn vor einer Gefahr schützen.
Und dann kam sie, die Welle, die alle bisherigen Brecher turmhoch zu überragen schien — genau in dem Moment, als Regan die Kanone freigab, um zum Mast zu eilen, als könnte sie Travis in seiner bedrängten Lage dort oben helfen.
Regan wurden die Füße weggezogen. Sie rollte über die
Planken und prallte gegen die Reling am Hauptmast, daß ihr die Sinne schwinden wollten. Doch sie kümmerte sich nicht um den rasenden Schmerz in ihrem Rücken, lauschte nur auf das Knattern und Bersten über dem flutenden Wasser.
Das Deck ragte wie ein Berg neben ihr auf. Trotzdem versuchte Regan, sich an der Reling hochzuziehen. Der Schrei eines Matrosen, dann, nur schemenhaft erkennbar, der Körper eines Mannes, der über ihren Kopf hinwegsegelte und neben der Reling ins Wasser klatschte, konnten sie nicht von ihrem Entschluß abbringen. Sie bekam kaum Luft in dem strudelnden Wasser, konnte noch weniger sehen, als sie die Stelle am Mast mit den Augen suchte, wo Travis sich an die Wanten geklammert hatte.
Hätte sie ihre Augen nicht so angestrengt, würde sie nie die schattenhafte Gestalt von Travis in dem Moment entdeckt haben, als seine Hände das Tauwerk losließen und er vom Mast zu stürzen begann. Sein Fuß war in den Wanten verhakt, und das rettete ihm wohl das Leben, während er, offensichtlich halb ohnmächtig, nach einem Seil suchte, mit dem er sich in den Wanten festbinden konnte.
Das Schiff tanzte wie eine Nußschale im Kielwasser des gewaltigen Brechers, während Regan sich an die Reling klammerte
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