Und am Ende siegt die Liebe
teilnahmsvolles Gespräch mit Regan, ehe sie über die Leute herfiel und sie herunterkanzelte, weil sie ein Haus verkommen ließen, in dem sie es so gut hätten.
Nach Margos Besuchen fühlte sich Regan schlimmer als zuvor — total ausgelaugt und nutzlos.
Sie sprach mit Travis nie über ihre Probleme mit dem Personal und sagte ihm kein Wort von den hunderttausend Tränen, die sie täglich vergoß.
Eines Nachmittags, als Regan in der Bibliothek saß und sich mit einem Buch abzulenken versuchte, trat Travis ein.
»Hier bist du also«, sagte er lächelnd. »Ich dachte schon, du wärest uns verlorengegangen.«
»Ist etwas passiert?«
Er trug einen Ölzeugmantel über seinen Kleidern wie damals auf dem Schiff. »Ein Gewitter ist im Anzug. Ein Blitz hat unsere Zäune zerstört. Ungefähr hundert Pferde sind uns aus den Koppeln ausgebrochen.«
»Du willst sie wieder einfangen?«
»Ja, sobald Margo da ist. Ich habe schon einen Boten zu ihr geschickt.«
»Margo?« Regan klappte ihr Buch zu. »Was hat sie denn mit deinen durchgebrannten Pferden zu schaffen?«
Travis lachte über ihr beleidigtes Gesicht. »Erstens gehören ein paar von diesen Biestern ihr, und zweitens kann sie besser reiten als die meisten Männer in der Grafschaft. Das bedeutet, daß ich ihre Hilfe brauche, mein kleiner, grünäugiger Schatz!«
Regan stand auf und blickte zu ihm hoch. »Kann ich dir denn nicht irgendwie dabei helfen?«
Er lächelte wohlwollend und küßte sie auf die Nasenspitze. »Indem du dir erstens deinen kleinen, hübschen Kopf nicht mit Sorgen befrachtest, zweitens mein Baby hütest und mir drittens - aber nicht zum wenigsten — mein Bett wärmst.« Damit ließ er sie stehen und verschwand aus der Bibliothek.
Eine Weile lang stand sie regungslos da, starrte auf die Bibliothekstür und hätte am liebsten losgeheult. Aber Tränen hatte sie in den letzten Wochen mehr als genug vergossen. Sie wollte hier nicht allein herumsitzen und auf Travis’
Baby aufpassen. Das Leben mußte doch noch etwas mehr zu bieten haben als ein paar Minuten Zweisamkeit mit einem Mann, der immer nur an das dachte, was sie in ihrem Bauch trug.
Wenn er Liebe brauchte, suchte er sie dort, wo er sie schon immer gefunden hatte — bei Margo. Dann ging er zu dieser stolzen und selbstbewußten Frau, die sich anmaßte, alles in der Welt managen zu können.
Ohne lange zu überlegen, begab sie sich nun in ihr Schlafzimmer und fing an, ihre Kleider in eine große Reisetasche zu packen. Ihr Entschluß, endlich irgend etwas zu unternehmen, trieb sie zur Eile an. Sie nahm einen mit Saphiren besetzten Armreif und zwei Ohrringe mit Brillanten aus einer Schatulle auf ihrer Wäschekommode. Diese Schmuckstücke hatte Travis ihr geschenkt, sie hatten einmal seiner Mutter gehört. Nach kurzem Zögern schob sie die Kleinode in die Tasche, warf sich einen schweren Mantel über und ging zur Tür. Sie überzeugte sich erst, daß sich niemand auf dem Korridor befand, ehe sie zur Treppe eilte. Dort blickte sie noch einmal auf das zurück, was ihr einmal gehört hatte. Nein, hier hatte ihr nie etwas gehört!
Bestärkt in ihrem Entschluß, kehrte sie noch einmal zur Bibliothek zurück und kritzelte ein paar Zeilen für Travis auf ein Stück Papier. Sie verließe ihn, damit er die Freiheit habe, sich die Frau zu nehmen, die er liebte. Dann zog sie eine Schublade im Schreibtisch auf und nahm das Bargeld, das sich dort in einer Blechschachtel befand, an sich.
Es war nicht schwierig, das Haus unbemerkt zu verlassen. Das männliche Personal war damit beschäftigt, Fenster und Türen vor dem Unwetter zu sichern, das in der Luft hing wie feuchte Watte. Die Vorderseite des Hauses ging zum Fluß hinaus, an der Hinterseite mündete jedoch eine Fahrspur, die Travis als Straße zu bezeichnen pflegte, die aber eher einem Trampelpfad glich. Die Virginier benützten meistenteils die Wasserwege zum Reisen, und
Regan glaubte sich am ehesten vor Entdeckung sicher, wenn sie Landstraßen benützte.
Gewitterwolken hingen am Himmel, die Luft war wie Blei. Dann setzte der Regen ein, und die Fahrspur verwandelte sich in tiefen Schlamm, der an ihren Schuhen saugte und das Gehen noch beschwerlicher machte. Eine Stunde war sie schon unterwegs, als sie hinter sich eine Stimme hörte: »Möchten Sie nicht lieber aufsitzen, junge Frau?«
Sie drehte sich um und sah einen alten Mann auf einem Leiterwagen. »Schützt nicht vor Regen«, meinte er, zum Himmel deutend, »aber schont die Beine.«
Dankbar
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