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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minka Pradelski
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vergnüglich aß. Er liebte gehaltvolle üppige Speisen, eine Mahlzeit ohne Fettkrusten und Schmalzgebackenes rührte er gar nicht erst an.
    Eigentlich, wenn ich es mir recht überlege, waren Fettauge und Mietek zwei kleine experimentierfreudige Ingenieure. Die beiden legten Drähte und bauten sich von Haus zu Haus heimlich ein Telefon, um miteinander Streiche auszuhecken. Am Telefon wurde abgesprochen, wann es wieder an der Zeit wäre, den weißen Pudel von der Marysia Teitelbaum einer notwendigen chemischen Behandlung zu unterziehen. Die rotblonde Marysia mit dem akkurat geschnittenen Pagenschnitt und den Schnallenschuhen an den zierlichen Füßen war das einzige Kind des schnellsten Verkäufers unserer Stadt. Jeden Abend führte sie ihren weißen Pudel spazieren. An dem verabredeten Tag verließ sie ahnungslos mit einem eleganten weißen Pudel das Haus und kam mit einem schwarzen Hund zurück. Keitusch, so hieß der Pudel, war zu Beginn des Spaziergangs noch brav angeleint, dann aber hat Marysia ihm außer Sichtweite ihrer Eltern die Leine abgenommen und ihm die Freiheit gegeben, die sie sich selbst wünschte. Just in diesem Augenblick wurde er von den beiden experimentierfreudigen Ingenieuren eingefangen. Sie haben ihn dann mit Schuhcreme oder Ruß schwarz eingefärbt und wieder zu seinem Frauchen zurücklaufen lassen. Marysia ist dann weinend mit einem schwarzen zappelnden Etwas nach Hause gelaufen und ahnte nicht, dass ihre Klassenkameraden die Übeltäter waren.«
    Es klopft. Frau Kugelmann und ich schrecken zusammen. Ohne eine Antwort abzuwarten, schließt der Hoteldiener forsch die Tür auf, begrüßt uns mit dem Wort »Minibar«, geht zielstrebig zum Hotelkühlschrank, prüft die Bestände, füllt klirrend die fehlenden Fläschchen auf. Wehe, er vergreift sich am Eisfach, denke ich. Doch schon verlässt er eilig wieder das Zimmer. Frau Kugelmann und ich schauen uns verdutzt an.
    »So dreist wie dieser war noch keiner. Ich habe hier schon viel erlebt,« sagt sie irritiert.
    »Ich werde dafür Sorge tragen, dass wir morgen nicht gestört werden«, versichere ich ihr.
    »Sparen Sie sich die Mühe. Das Personal hat immer ein stichhaltiges Argument, denn viele Gäste vergessen ihr Türschild umzudrehen, wenn sie das Zimmer verlassen.«
    »Und in einer Suite?«
    »Sogar in einer Suite zahlen Sie teures Geld und bekommen nichts anderes«, sagt sie und zuckt die Achseln. Dann atmet sie kräftig durch und besinnt sich wieder.

Ein Wasserkopf namens Rapid
    »Die feine Marysia, Fettauge und mein schöner Adam stammten aus wohlhabenden gutsituierten Häusern, in denen Geld keine Rolle spielte. Meine Eltern dagegen hätten das monatliche Schulgeld für uns vier Geschwister nicht aufbringen können. Ich weiß noch genau, wie viel es gekostet hat. Wir hatten einen speziellen Rabatt, 30 Zloty für jedes Kind im Monat. Davon konnte eine arme Familie sich ernähren! Die Fabrik, in der mein Vater als Chemiker arbeitete, zahlte das Schulgeld für meine Brüder und mich. Der Besitzer der Fabrik war übrigens der wohltätige Fürstenberg, der gerne die begabten Kinder seiner Angestellten und Arbeiter förderte. Zu den Armen gehörten wir nicht, aber faul sein durfte ich auch nicht, allein schon wegen der generösen Unterstützung von unserem Fürstenberg.
    Eine Klasse zu wiederholen war für die wohlhabenden Kinder keine Schande, nur die Kinder der Armen durften nicht faul sein. Bei Wiederholern hat es zu Hause Geschrei und Strafen gegeben, aber im Grunde war alles vorbei, bevor das neue Schuljahr anfing. Die faulen Armen aber, und das waren sehr wenige, sind gleich von der Schule abgegangen, meist noch bevor das Jahr zu Ende war, von einem zum anderen Tag sind sie verschwunden, nach einem einschüchternden Elternsprechtag oder einem Besuch beim Herrn Direktor, und keiner von uns hat je über diese Ungerechtigkeit nachgedacht, dass arme Kinder nicht faul sein dürfen.
    Als Adams Noten sich verschlechterten und abzusehen war, dass er die Klasse wiederholen würde, hörte ich mit dem Lernen auf, gab fehlerhafte Klassenarbeiten ab, wusste plötzlich keine Antwort an der Tafel. Ich sank rapide in meinen Leistungen ab. Ohne Adam wollte ich nicht in die nächste Klasse gehen. Damals saß ich noch nicht neben ihm, sondern hinter ihm, in der hintersten Reihe allein in der Bank, damit ich ungetrübt den Blick frei hatte zu Adams Nacken. Ich verfolgte die zarte Linie seines Nackens, um erneut Kraft zu schöpfen für den nächsten

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