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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minka Pradelski
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wussten, dass die Kameraden gleich in der ersten Nacht, zum Einstand, von den polnischen Schülern verprügelt werden würden. Dennoch sind Adam und die Kameraden voller Kampfesmut im Ausbildungslager angekommen. Am frühen Abend des ersten Tages haben Adam und die anderen sich schon auf den nächtlichen Überfall vorbereitet. Sie schoben die Pritschen zusammen, lösten Holzstücke aus den Betten heraus und warteten. Kurz vor Mitternacht stürmten die Angreifer das Lager. Die Kameraden lieferten ihnen eine blutige Schlacht. Mehrere Nächte lang dauerte der Kampf, ungewöhnlich lange. Glücklicherweise trug mein Adam keine Verletzung davon. Später, als er wieder zu Hause war, erfuhr er von seinem Vater, dass die Polen zum selben Zeitpunkt ein Pogrom gegen die Bendziner Juden planten und schon in großer Vorfreude auf zerschlagene jüdische Knochen Säcke voller Steine und Eisenstangen in einem geräumigen Vorratsschuppen außerhalb der Stadt gelagert hatten. Dank des mutigen Einsatzes unserer Lastenträger, die mit starken Händen und mächtiger Leibesfülle sofort zur Stelle waren, wurde der Überfall im Keim erstickt.
    Hinter dem Berg am Rand der Stadt, da wohnten sie, unsere Lastenträger. Wir nannten sie ›die Träger‹, aber unter dem Namen Bachmann waren sie am allerbesten bekannt. Die Bachmanns waren keine Familie von Lastenträgern, von starken Vätern und Söhnen, die das Zupacken und Lastentragen schon mit einem kleinen Holzstückchen in der Wiege übten – sie waren untereinander noch nicht einmal verwandt. Vielleicht hatte es in früheren Zeiten einmal einen ganz starken Träger namens Bachmann gegeben, und alle Träger wurden nach ihm benannt. Aber das alles war nicht so bekannt.
    Weil die Bachmanns ganz arme Leute waren, hausten sie am Friedhof, ganz nahe bei den Schnorrern. Dort war das Wohnen sehr billig, es lebten mehr als ein Dutzend Menschen in zwei kleinen Zimmern. Keiner von uns wäre ohne Not hinter den Berg gezogen, allein schon aus Aberglauben haben sich die meisten Erwachsenen davor gefürchtet, in der Nähe des Friedhofs zu wohnen. Und zwar wegen der Dibbuks. Das sind böse Geister, von denen man glaubte, dass sie den Friedhof bevölkerten. Die Lastenträger aber hatten keine andere Wahl. Die Dibbuks, so erzählte man sich, steigen um Mitternacht aus den Gräbern, um den gesamten Friedhof in Besitz zu nehmen. Sie springen rücksichtslos über die Grabsteine und fegen die vielen kleinen Steine zu Boden, die im Andenken an die Verstorbenen von den Besuchern auf die Grabsteine gelegt wurden. Höhepunkt der Orgie ist dann der nächtliche Tanz. Beim Tanzen sind die Frauen nicht züchtig von den Männern abgetrennt, nein alle, Männlein und Weiblein, tanzen einen Reigen miteinander. Nur die Kleinkinder, und davon gab es auf dem Friedhof sehr viele, haben einen eigenen Reigen in der Mitte. Es tanzen die Klugen mit den Narren, die Armen mit den Reichen, obwohl sie an unterschiedlichen Stellen des Friedhofs begraben sind, und sogar die Selbstmörder, die gesondert an der Friedhofsmauer liegen mussten, reihen sich fröhlich in das wilde Durcheinander ein.
    Die Bachmanns waren daran gewöhnt, mit den Geistern zu leben, vielleicht sogar in guter Nachbarschaft, so dass keiner den anderen störte, weder bei der Arbeit noch im Schlaf oder bei den zwischen Menschen und Geistern sehr unterschiedlichen nächtlichen Vergnügungen.
    Während der Woche haben die Lastenträger ihre schwere Arbeit verrichtet. Frühmorgens, bevor sie zur Arbeit gingen, haben die Bachmanns die Faulen unter ihren Söhnen zum Tfillimlegen angetrieben. Das Geschrei und die Schläge konnte man bis hin zum Marktplatz hören. Aber am Schabbat ruhte die Arbeit. Die Bachmanns nahmen ihre Schirmmütze mit dem schwarzen Schild ab und gingen in Festtagskleidung, herausgeputzt, mit so leichtem Fuß zum Gebet, dass kein Fremder vermutet hätte, welch schwere Lasten sie unter der Woche hoben.
    Die Bachmanns konnten weder schreiben noch lesen, und wenn, dann nur ein wenig hebräisch, aber Säcke zählen, das konnten sie, und auch beim Geld, das ihnen zustand, haben sie sich nie geirrt oder etwa zu viel berechnet. Sie waren ehrliche Leute, Lügen verabscheuten sie, denn sie hatten ihr ureigenstes bachmännisches Ehrgefühl.
    Einmal habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie der Großhändler Dattelstrauch mit Waren beliefert wurde. Es waren acht zentnerschwere Säcke bis oben hin mit Würfelzucker abgefüllt. Der Großhändler Dattelstrauch

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