...und da sagte Don Camillo...
das für die
Aufnahme alter Bedürftiger bereitsteht, sondern als in Betrieb stehende Institution. Es so leer einzuweihen, das wäre doch, als würde man ein Schiff auf dem Trockenen vom Stapel lassen, ohne es aufs Meer hinaus zu schicken. Die Bürger müssen das Altersheim in Betrieb, I also mitsamt den Insassen sehen. Nur so können sie sich ein genaues Bild von der Leistungsfähigkeit der ganzen Einrichtungen machen. Was meint ihr?»
Die andern kratzten sich nachdenklich die Köpfe.
«Natürlich!» rief Peppone. «Das Heim ohne Insassen ist wie eine elektrische Leitung ohne Strom oder eine Bahnlinie ohne Bahn. Und überdies weiß man ja, wie das vor sich geht: Da kommen die Journalisten und fragen die alten Leute aus: Wie alt seid Ihr? Wie geht es Euch? Was seid Ihr von Beruf gewesen? und so weiter.»
«Außerdem», sagte einer der andern sechs, «wenn die Insassen im Heim sind, können wir die richtige, praktirfl sehe Abnahme durchführen. Und alles, was möglicherweise noch nicht ganz klappt, vor der offiziellen Einweihung in Ordnung bringen.»
Es galt also, die alten Leute zu finden, die im Heim Unterkommen sollten, und das war wirklich kein schwieriges Unternehmen, denn es gab in der Gemeinde nur fünf bedürftige Betagte, und die kannte jeder: Giacomone, 75 Jahre, wohnhaft im Dorf selbst; Ranieri, 78 Jahre, in Torricella; Girardengo, 80 Jahre, in Trecaselli; Joffini, 79 Jahre, in Fiumetto und die Miràcola, 85 Jahre, in Crociletto.
Fünf arme Teufel, die zwar nicht bettelten, aber doch von Almosen lebten. Giacomone, hochaufgeschossen und so dünn, daß ihm die Knochen fast durch die Haut zu stechen schienen, war ein Opfer des Streiks von 1908: damals hatte er seine Stelle verloren und war seither arbeitslos geblieben. Fünfundvierzig Jahre lang hatte er sich kümmerlich durchgeschlagen, fast nur von Wein gelebt und in Scheunen und Ställen geschlafen.
Ranieri, mittelgroß und mit mächtigem Seehundschnauzbart, hieß in Wirklichkeit anders, aber man nannte ihn Ranieri oder Fröschl, weil er etwa zweimal in der Woche «Frösche fangen» ging - das heißt, daß man ihn besoffen in einem Graben schlafend fand. Und als man ihn einmal aus dem Graben der Nationalstraße vier zog, da hatte sich doch tatsächlich ein Frosch in seiner Jackentasche verkrochen.
Girardengo war der kleinste der vier. Sein richtiger Name war Bedetti, aber da er steife Knie und verrostete Hüftgelenke hatte, sich nur mit Zehnzentimeterschrittchen vorwärtsbewegen konnte und einen ganzen Tag brauchte, um einen halben Kilometer zurückzulegen, war er in Girardengo umgetauft worden, was ungefähr Zipperlein hieß.
Jeder, der ihn fragte, wohin er gehe, bekam von Girardengo unweigerlich die Antwort: «Ich muß deiner Schlampe von Schwester einen Expreßbrief bringen.»
Joffini war der Ernsteste und Fleißigste. Stets reinlich gekleidet, verbrachte er sein Leben zwischen den Deichseln eines Handkarrens. Niemand hatte ihn je ohne seinen Karren gesehen. Ob Sommer oder Winter, er schob ihn über die Landstraßen der Bassa, und alle zweihundert Meter hielt er an, setzte sich auf eine Weichsel, nahm seine Tabakpfeife heraus, zündete sie an, und wenn in der Pfeife ein Zigarrenstummel steckte, blies er Rauch aus dem Mund, wenn nicht, sog er einfach die nach Pfeifenrohr stinkende Luft ein.
Die alte Miràcola dagegen trug ständig einen Korb am Arm; sie war so klein und zierlich, ihr schneeweißes Haar so sauber frisiert, daß alle Leute sie gernhatten. Mit Erfolg «bekreuzigte» sie Wundrosen und Verstauchungen - daher der liebevolle Spitzname «Miràcola».
Die fünf Altersheimkandidaten lebten völlig unabhängig voneinander; jeder hatte seinen eigenen Wirkungsbereich, seine eigene Kundschaft, sie begegneten sich überhaupt nie.
Sie begegneten sich erst an dem Tag, als der Smilzo in der Funktion eines Hilfspolizisten sie einsammelte und ins Gemeindehaus brachte, wo der Bürgermeister und Don Camillo und die andern sechs vom Achterkomitee sie erwarteten.
Es war vereinbart, daß Peppone im Namen aller die Begrüßungsansprache halten sollte, und als die fünf armen Alten vor ihm standen, sagte Peppone mit herzlicher, aber feierlicher Stimme: «Wir haben euch zusammengerufen, um euch etwas Schönes mitzuteilen. Etwas Schönes für euch wie für uns. Denn während ihr es seid, die den materiellen Nutzen haben werdet, wird uns der moralische Nutzen zuteil, die Genugtuung, daß wir endlich die erste aller sozialen Pflichten erfüllen können:
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