...und da sagte Don Camillo...
Gerechte beschwor ihn weiter, nicht den linken Weg einzuschlagen, aber der Mann blieb bei seinem Vorsatz und kam dem Scheideweg immer näher. Und der Gerechte rief: «Verflucht sei die linke Straße, und verflucht sei, wer ihr folgt, obwohl er das weiß.>
Doch der Mann, am Scheideweg angelangt, schlägt trotzdem die Straße nach links ein, und der Gerechte sieht ihn dem Hinterhalt und Tod entgegengehen.»
Don Camillo blickte zum Gekreuzigten auf: «Jesus, hat die Geschichte so Hand und Fuß?»
«Nein, Don Camillo. Wenn die Geschichte so endet, ist der Mann am Fenster kein Gerechter und kein Weitblickender.»
Don Camillo breitete die Arme aus.
«Der am Fenster», fuhr er fort, «ruft dem Unglücklichen immer wieder nach: Aber der andere geht weiter und kommt dem Treibsand immer näher und entfernt sich immer mehr vom Scheideweg. Und es kommt der Augenblick, da er die Stimme des Gerechten nicht mehr hört.»
Don Camillo schielte wieder zu Christus empor. «Jesus, was kann der Gerechte da anderes tun, als das Fenster zu schließen und zu Bett zu gehen?»
«Wenn der Gerechte gerecht sein will, muß er hinuntergehen und dem Unglücklichen nachlaufen und ihn einholen und alles tun, um ihn auf den rechten Weg zurückzuführen», antwortete Christus.
«Das kann er nicht», wandte Don Camillo ein, «weil «verflucht ist, wer auf der verfluchten Straße geht, obwohl er weiß, daß sie verflucht ist>.»
«Don Camillo», sprach Christus, «wo willst du hinaus? Was stellst du mir für eine Falle? Was willst du von mir hören?»
«Nichts, denn Ihr habt schon alles gesagt, was Ihr sagen mußtet, und das steht alles klar und deutlich in den heiligen Schriften. Und Eure Begriffe sind ewig, und wie sie für die Vergangenheit gültig waren, müssen sie auch für die Gegenwart und Zukunft gelten. Aber manchmal stehen die Worte den Begriffen vor dem Licht, die sie übermitteln sollten. Manchmal kann der unmittelbare Sinn eines Wortes verhindern, daß man zu dem Begriff vordringt, den es ausdrücken will. Jesus, Ihr habt schon alles gesagt, was zu sagen war, und man kann Euch nur bitten, uns bei der wahren Auslegung des Gesagten zu helfen. Wenn diese Straße verflucht ist, weil sie von der Gnade Gottes wegführt, ist auch der verflucht, der ihr folgt - gesegnet aber der, der sich auf ihr befindet und umkehrt, um in die Gnade Gottes zurückzufinden. Das ist der Begriff, und nur so kann er gemeint sein - wenn aber die bloße materielle Handlung, diese Straße mit den Füßen zu betreten, zur Verdammnis führt, dann wäre der Gerechte auf dem Hinweg verflucht und auf dem Rückweg gesegnet.»
«Gesegnet auch auf dem Hinweg, wenn es ihm nur darum geht, den Unglücklichen zur Umkehr zu bewegen», sagte Christus.
«Don Camillo, darüber darfst du nicht im Zweifel sein. Sonst bist du kein guter Christ.»
Don Camillo errötete: «Ihr vergeßt, daß Ihr mit einem Priester sprecht!»
«Und du vergißt, daß du mit deinem Gott sprichst», lächelte Christus.
«Ich sprach mit meinem Gewissen», entschuldigte sich Don Camillo.
«Die Stimme deines Gewissens sollte die Stimme Gottes sein.»
Demütig neigte Don Camillo das Haupt. «Jesus», sagte er, «ich habe keine Zweifel hinsichtlich des Kerns der Sache, nur hinsichtlich der Form. Wie kann ich ...»
«Du?» wunderte sich Christus. «Was hat das denn mit dir zu tun? Bist du vielleicht der Gerechte und Weitblickende?»
«Ich bin einfach der Mann am Fenster des Gotteshauses. Ob ich gerecht bin, weiß ich nicht, aber ich vermag den Weg des Guten vom Weg des Bösen zu unterscheiden.»
«Ich weiß dein Zartgefühl zu schätzen, Don Camillo. Aber wenn du der Mann am Fenster bist, dann tu nur das, was dir dein Gewissen eingibt. Am Ende werde ich dir sagen können, ob du ein Gerechter bist oder nicht. Und wenn du es bist, werde ich es dir sagen, auch wenn die Menschen dich als ungerecht betrachten und behandeln. Oder interessiert dich das Urteil der Menschen vielleicht mehr als das Urteil deines Gottes?»
Da verneigte sich Don Camillo, schloß das Fenster, ging hinaus und machte sich auf den verfluchten Weg.
Seit dem berüchtigten Tag des Dekretes, der Exkommunikation der Roten, hatte sich Peppone nicht mehr in der Kirche blicken lassen. Auch die andern nicht, denn die taten sowieso nur, was der Chef ihnen vormachte. Als daher Peppone
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