... und dann bist du tot
können, ehe sie gingen. Dieses Gespräch hatte Lally richtig erschüttert.
Chris hatte seine Worte mit Bedacht gewählt. »Mama geht es heute Morgen besser, Liebling. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht mehr krank ist. Das wissen wir beide, nicht wahr? Und ich glaube, wir müssen endlich dafür sorgen, dass sie die Behandlung bekommt, die sie braucht, damit sie wieder gesund wird.«
»Mama ist doch nicht richtig krank, Papa, oder?«, fragte Katy. »Es geht ihr ja nur schlecht, wenn sie zu viel getrunken hat.«
»Gerade das ist ja die Krankheit, Katy.« Chris schaute sie traurig an. »Wir haben schon einmal darüber gesprochen, erinnerst du dich? Zu viel Alkohol beeinflusst die Menschen auf verschiedene Art und Weise.«
»Ich erinnere mich«, sagte Katy. »Einige Menschen fallen hin, andere bekommen Magenschmerzen, manche benehmen sich seltsam oder werden richtig traurig.«
»Normalerweise«, fuhr ihr Vater fort, »sind sie nur ziemliche Nervensägen, aber in einigen Fällen verändert der Alkohol die Menschen richtig. Selbst Menschen, die sich
sonst ganz normal verhalten und freundlich sind, können durch ein paar Gläser außer sich geraten.«
»Wie Mama.«
»Genau wie Mama.«
»Und was werden die Ärzte tun, damit sie wieder gesund wird, Papa? Wird der Arzt ihr Medikamente geben?«
Chris nahm die Hand seiner Tochter. »Das ist nicht so, als hätte man eine Grippe oder eine Mandelentzündung, Katy. Es ist möglich, dass Mama für eine Weile in ein Krankenhaus gehen muss.«
»Wie lange?«
»Das weiß ich nicht genau.«
»Zwei Tage?«
»Länger.«
»Eine ganze Woche?«
»Vielleicht noch etwas länger.« Als Chris Katys trauriges Gesicht sah, drückte er ihre Hand noch etwas fester. »Aber du kannst sie besuchen, Liebling. Findest du nicht auch, dass es das Beste ist, wenn die Ärzte Mama helfen, wieder gesund zu werden?«
»Doch, schon«, erwiderte Katy unsicher.
Als Lally wieder allein war, hatte sie versucht, sich zu beschäftigen, indem sie für das Cafe buk, aber sie hatte sich seltsam einsam gefühlt. Hugo blieb oft über Nacht bei Freunden, und Lally machte das in der Regel nichts aus. Sie hatte ein fröhliches Naturell und neigte normalerweise nicht zu Gefühlen der Einsamkeit. Nachdem Katy jedoch bei ihr geschlafen und sie mit Chris gegessen hatte, war es anders. Er hatte ihr so freimütig sein Herz ausgeschüttet und sie an seinen Problemen teilhaben lassen, dass sie sich jetzt seltsam vertraut mit ihm fühlte. Eigentlich kannte Lally die Webbers natürlich kaum, doch es ließ sich nicht abstreiten, dass sie nun in die Sache verwickelt war, ob es ihr gefiel oder nicht.
Und gefällt es mir?, fragte sie sich, als sie Eier in den Teig schlug.
Die Frage war nicht einfach zu beantworten. Sie hasste die Tatsache, dass ein zehnjähriges Mädchen in Angst und Schrecken lebte und den Kummer der Erwachsenen ertragen musste. Es war ihr sehr unangenehm gewesen, Andrea Webber in betrunkenem Zustand zu sehen, und der Schmerz und die Bestürzung in den Augen ihres Gatten hatten sie traurig gestimmt. Die Stunden mit Chris hatte sie jedoch genossen. Und als Chris ihr gestanden hatte, dass seine Ehe nicht mehr zu retten sei, war sie ehrlich gesagt überhaupt nicht betroffen gewesen. Allerdings hatte er das heute Morgen Katy gegenüber nicht erwähnt.
Lally schüttelte sich. Plötzlich hatte sie Schuldgefühle. Es war nichts zwischen ihr und Chris Webber, und selbst wenn sie ihn anziehend fand, gab es nicht den geringsten Hinweis darauf, dass dieses Gefühl von ihm erwidert wurde. Dieser Mann hatte tausend Dinge im Kopf, und sie gehörte sicherlich nicht dazu. Sofern es um die Ehe der Webbers ging, war außerdem nichts vorbei, bis es wirklich vorbei war. Und wäre es nicht weit besser für Katy, wenn sie weiterhin in einer intakten Familie leben könnte?
Das ist sicher das Beste für Katy, dachte Lally, und nur das zählt.
Chris und Katy kamen an diesem Nachmittag nach der Schule nicht zu ihr. Lally, die an diesem Morgen nur eine Stunde gegeben hatte und dann sofort in Hugos Cafe gegangen war, musste zugeben, dass sie bitter enttäuscht war. Chris hätte sie anrufen können, um ihr zu sagen, wie es bei ihnen zu Hause weiterging. Sie redete sich ein, dass es ihm wahrscheinlich peinlich war, einer Fremden - was sie natürlich noch immer für ihn war - so viel erzählt zu haben. Die Ballettlehrerin seiner Tochter hatte ihre Nase in seine Privatangelegenheiten gesteckt und mehr erfahren, als ihr
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