... und dann bist du tot
mich abzuschütteln, Lally.« Er ging weiter.
»Vielleicht möchte ich lieber allein sein.«
»Nein, das möchtest du nicht.«
Sie lehnte sich an seine Schulter. »Nein«, antwortete sie, »das möchte ich nicht.«
Sie wurde gründlicher untersucht als je zuvor in ihrem Leben, und es wurden ihr mehr als hundert Fragen gestellt. Man nahm ihr wieder Blut ab und machte eine Gehirnaufnahme und ein EKG, bei dem Elektroden an ihrem Brustkasten, ihren Handgelenken und Fußknöcheln befestigt wurden. Es wurden Röntgenaufnahmen vom Rücken und der Brust gemacht, und ein Wärmetest wurde durchgeführt, bei dem der äußere Gehörgang ihrer Ohren kurz mit Wasser überflutet wurde. Dann wurden ihre Augen hinsichtlich normaler Reflexe untersucht. Die Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger waren alle freundlich und tüchtig und versuchten, sie zu beruhigen, aber Lally hatte sich noch nie so schrecklich allein gefühlt. Hugo saß im Wartezimmer, doch nun hätte es ihr vielleicht gut getan, eine vertraute Hand zu halten, und als sie plötzlich an Chris Webber dachte, war sie für einen Augenblick abgelenkt. Sie erinnerte sich an die dunkelblauen Augen, das lockige, blonde Haar und seine markante Nase. Und dann ließ sie das Bild wieder los. Im Moment war sie allein, aber damit würde sie schon zurechtkommen.
Mit ihrem Kopf war alles in Ordnung und mit ihren Ohren auch, und alles andere war auch in Ordnung, nur der Herzschlag war es nicht, und das war genau das, was Dr. Sheldon vermutet hatte. Gegen ihren Willen wurde Lally in einen Rollstuhl gesetzt und in das Sprechzimmer eines gewissen Dr. Lucas Ash, eines Kardiologen, gefahren.
Hier wartete sie fast eine Dreiviertelstunde, umgeben von tadellosem perlgrauem Leder und Chrom, in schweigender Atmosphäre, während der Arzt seine Visite im Krankenhaus beendete.
»Verzeihen Sie, dass ich Sie warten ließ«, sagte er, als er ins Sprechzimmer eilte.
»Kein Problem.« Lally schaute ihn fasziniert an. Er war um die fünfundvierzig, blond, und mit seiner römischen Nase, den violettblauen Augen und dieser Art makelloser Haut, die aussah, als sei sie sauber geschrubbt und soeben frisch eingecremt worden, war er eine Spur zu hübsch.
»Entschuldigen Sie mich bitte noch einen Moment, damit ich die Untersuchungsergebnisse durchsehen kann?« Er lächelte sie entwaffnend an und beugte sich dann über die Akte. Ab und zu nahm er eine winzige zusammengeklappte Brille von seinem Schreibtisch und setzte sie auf, und Lally hatte fast das Gefühl, er müsse beweisen, dass er wirklich Arzt und kein Schauspieler aus einer Arztserie war.
Doch er ließ sie nicht mehr lange auf die Diagnose warten. Er hörte ihr Herz ab, überprüfte ihren Puls und den Blutdruck, überprüfte zweimal ihre Familiengeschichte und fragte sie laut und deutlich, ob sie ganz sicher sei, dass sie in der letzten Woche keinerlei Drogen genommen habe.
»Noch nicht einmal ein Aspirin«, erwiderte Lally.
»Gut.«
Als sie auf die Diagnose wartete, schaute sie angespannt auf das Fenster hinter dem Stuhl des Arztes. Draußen schneite es wieder, und die Grünanlage des Krankenhauses und die ganze Welt schienen hinter einem weißen Schleier zu versinken.
»Sie haben eine so genannte Bradykardie. Vereinfacht gesagt ist das eine abnorm niedrige Herzfrequenz. Dadurch haben Sie zu niedrigen Blutdruck, und das zieht einen Mangel an Energie, Schwäche und Schwindelanfälle nach sich.« Dr. Ash machte eine Pause. »Haben Sie schon einmal etwas von einem Herzblock gehört?«
Lally schüttelte den Kopf. Ihre Hände waren eiskalt.
»Das ist eine Unterbrechung oder eine Blockierung des Reizleitungssystems des Herzens. Die Kontraktion der oberen und unteren Teile des Herzens sind nicht richtig aufeinander abgestimmt. Obwohl in einigen Fällen nur eine relative Störung bestehen kann, liegt in Ihrem Fall das vor, was wir einen totalen Herzblock nennen.« Er machte wieder eine Pause und schaute ihr ins Gesicht. »Das ist aber keineswegs so beängstigend, wie es sich anhören mag.«
»Wie ernst ist es?« Lallys Stimme war ganz leise.
»Sehr ernst, aber nur dann, wenn es nicht behandelt wird. Es kann zu Bewusstlosigkeit und sogar zu einem Herzstillstand führen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass es tödlich sein kann?«
»Nur, wenn wir nichts dagegen unternehmen.«
Lally schaute ihn ungläubig an. Alles erschien ihr unwirklich, als schwebe sie über dem Raum und sähe sich dort unten gegenüber vom Arzt im Rollstuhl sitzen. Immerhin
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