... und dann bist du tot
Natürlich rege ich mich auf, und wenn du mir jetzt nicht sofort alles erzählst, rufe ich Dr. Sheldon an.«
»Schon gut, schon gut. Ich erzähle es dir ja. Du brauchst nicht so ein besorgtes Gesicht zu machen. Mir war nur ein wenig schwindelig. Wahrscheinlich ist es nur irgendein Virus.«
»Bist du jemals richtig umgekippt?«, fragte Hugo.
»Nein.«
»Sicher?«
»Nein.«
»Wie oft ist es schon passiert?«
»Hugo, hältst du bitte den Mund und lässt mich erzählen.«
Fünf Minuten später rief er jedenfalls Dr. Sheldon an und beharrte darauf, dass Lally gründlich untersucht werden müsse. Obwohl Hugo die Ruhe in Person war, so beunruhigte es ihn doch maßlos, dass Lally nicht einmal mehr Einwände erhob.
Der Albtraum begann ungefähr fünfzehn Minuten, nachdem Dr. Sheldon mit seiner Untersuchung begonnen hatte. Der Arzt war um die dreiundsechzig, vielleicht etwas älter, trug alte Tweedanzüge, schnitt sich sein dünnes, weißes Haar selbst und roch nach Pfeifentabak. Er war immer sehr rücksichtsvoll und neigte nicht zu vorschnellen Entscheidungen oder Diagnosen. Lally hatte an diesem Morgen allerdings den Eindruck, dass Dr. Sheldon in seinem alten, gemütlichen Sprechzimmer, an dessen Wänden Drucke von Rockwell hingen, noch mehr grübelte als gewöhnlich. Er gab kaum mehr als ein Knurren von sich, als er ihren Blutdruck maß, in ihre Augen und Ohren schaute, ihr Herz und ihre Lungen abhörte, ihre Reflexe testete, sie wog, ihr etwas Blut abnahm und sie dann zur Toilette schickte, weil er eine
Urinprobe brauchte, die mit den anderen Proben ins Labor geschickt werden sollte.
Der Arzt telefonierte, als Lally wieder ins Sprechzimmer kam, und es dauerte einen Moment, ehe sie begriff, dass die Untersuchungstermine in einer knappen Stunde, die er gerade vereinbarte, für sie bestimmt waren.
»Dr. Sheldon, was bedeutet das?«, fragte sie, als er den Hörer auflegte.
»Ich habe nur ein paar Termine für Untersuchungen vereinbart.« Er nahm seine Brille ab, die so alt wie sein Anzug und mit Klebeband notdürftig repariert war, und rieb über seinen Nasenrücken.
»Das habe ich gehört.« Sie schaute ihm in die Augen. »Wo brennt’s, Dr. Sheldon? Was haben diese Untersuchungen zu bedeuten?«
Auch er schaute ihr in die Augen. »Ich bin beunruhigt, Miss Duval. Bei einem anderen Patienten würde ich vielleicht zunächst annehmen, dass die Schwindelanfälle stressbedingt seien, aber dafür kenne ich Sie zu lange.«
»Es könnte ja sein.«
»Glauben Sie das?«
Sie antwortete nicht.
»Gut, ich will ehrlich sein. Ihr Pulsschlag gefällt mir nicht.«
Angst kroch in ihr hoch. »Was ist damit nicht in Ordnung?«
»Ich bin mir nicht sicher, und daher habe ich weitere Untersuchungen angeordnet, okay?«
»Ich weiß nicht.«
»Es führt leider kein Weg daran vorbei.«
Sie zuckte hilflos mit den Schultern. »Sie sind der Arzt, Dr. Sheldon.«
Hugo, der im Wartezimmer saß, erblasste sichtlich, als Lally versuchte, ihm ruhig zu erklären, dass sie sofort ins Taylor-Dunne-Krankenhaus in Holyoke fahren müsse, um sich dort ein paar Untersuchungen zu unterziehen.
»Sofort?« Hugo schaute Dr. Sheldon an, der in der Tür hinter ihr stand. Der Arzt nickte.
»Ich glaube, Dr. Sheldon langweilt sich sonntags«, versuchte Lally zu scherzen.
»Ich mache nur meine Arbeit«, sagte Dr. Sheldon zu Hugo. »Und ich versuche, ein paar Dinge auszuschließen.«
»Was für Dinge?«, fragte Hugo.
»Das wird er dir nicht verraten«, sagte Lally und nahm seinen Arm. »Er ist Arzt, und die studieren jahrelang genau für solche Momente. So können sie behaupten, dass sie sich auskennen, wenn sie in Wirklichkeit überhaupt nichts wissen.«
»Doktor?« Hugo schaute Dr. Sheldon wieder an.
»Bringen Sie sie nur nach Holyoke. Die Leute dort sind auch ohne Patienten, die zu den Untersuchungen zu spät kommen, schon beschäftigt genug.«
Als sie zum Wagen gingen, erkannte Lally deutlich die Angst in Hugos Augen, und sie erinnerte sich daran, dass er seit seiner Rückenverletzung eine kleine Angstneurose hatte, wenn es um Krankenhäuser ging. »Ich könnte doch auch ein Taxi nehmen?«
»Ja, natürlich.«
Sie zog ihn zu einem Taxistand. »Hugo, ich bin sicher, dass es keinen Grund gibt, sich Sorgen zu machen, und ich glaube, es wäre besser, wenn du das Cafe öffnen würdest. Ich meine, wozu braucht man einen Geschäftspartner, wenn er sich nicht um das Geschäft kümmert, wenn man krank ist.«
»Du brauchst gar nicht erst zu versuchen,
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