... und dann bist du tot
flüsterte Lally. »Friedlich ist das richtige Wort.«
»Lally?«
»Hm?«
»Bist du sicher, dass du campen möchtest?«
Sie lächelte. »Ich möchte alles tun. Ich möchte unter freiem Himmel schlafen, mit den Delfinen schwimmen und Ottern und Schildkröten sehen. Es macht mir nichts aus, wenn ich keine Alligatoren sehe, aber ich möchte Adler sehen, und ich möchte Steinkrabben angeln und diese kleinen Waschbären beobachten, die ihre Nahrung putzen, bevor sie sie fressen.«
Es war eine milde Nacht mit einer sanften, kühlen Brise, die von der Floridabucht herüberwehte. Lally streckte ihre langen Beine in ihrer weißen Baumwolljeans aus und ruhte sich aus. Ihr Glas stand auf ihrem Schoß, und sie schloss einige Minuten die Augen. Hugo beobachtete sie und dachte wie so oft, dass sie unbeschreiblich schön war, und dabei war sie sich kaum darüber bewusst. Er liebte sie so sehr, und noch immer schmerzte es ihn, dass sie ihm nichts als Freundschaft entgegenbrachte.
Sie schliefen tief und fest und brachen am Mittwochmorgen in aller Ruhe auf. Nach dem Frühstück auf der Hotelterrasse machten sie eine Fahrt in einem Glasbodenboot zum John-Pennekamp-Korallenriff. Etwas später überredete Lally Hugo, es einmal mit dem Schnorcheln zu versuchen, und sie schwammen an der Oberfläche einer seichten Stelle in einem unvorstellbar farbenprächtigen Gebiet. Es gefiel Hugo so gut, dass er gar nicht mehr aus dem Wasser kommen wollte. Die berühmte entspannte Atmosphäre der Keys, von der sie gehört hatten, zeitigte schon ihre Wirkung, und die Zeit verlor an Bedeutung. Um drei Uhr waren sie wieder auf dem Highway und fuhren durch Tavernier in Richtung Islamorado gen Süden. Sie hatten zum ersten Mal Schneckensuppe und Key-Limonenkuchen probiert, sangen beide alte Songs von Bob Dylan und blickten mit großen Augen entzückt und meistenteils wortlos nach links und rechts auf das Grün und Blau des Meeres und des Golfes.
In dieser Nacht wollten sie in der Nähe des Atlantiks im Schatten großer Australischer Kiefern campen, und Lally wollte Gumbo-Limbos, Mangrovensümpfe und Würgefeigen sehen. Sie wollte unter den Sternen liegen, und sie war dankbarer als je zuvor in ihrem Leben. Die Erinnerung an die Krankheit, die Arzte und das Krankenhaus und Gedanken an gestörte Familien, alkoholkranke Mütter, unglückliche kleine Mädchen und Männer mit dunkelblauen Augen schienen schon Lichtjahre entfernt zu sein und in eine andere unwirkliche Welt zu gehören.
20. Kapitel
Donnerstag, 21. Januar
J oes Tag hatte schlecht begonnen, und es wurde immer schlimmer.
Als er Lallys Nachricht am frühen Dienstagmorgen gehört hatte, war er zunächst erleichtert gewesen. Als er dazu gekommen war, sie später an diesem Tag zurückzurufen, war leider ihr Anrufbeantworter eingeschaltet. Daher hatte er vermutet, dass sie und Hugo schon in Urlaub gefahren waren. Er schaffte es, eine Weile nicht mehr an sie zu denken, doch dann war dieses seltsame, nagende Unbehagen in Bezug auf sie zurückgekehrt. Auch als er sich einredete, dass es keinen vernünftigen Grund gab und er sowieso nichts tun konnte, war es nicht besser geworden.
Der heutige Tag hatte mit einem persönlichen Gespräch begonnen, das Joe mit Sean Ferguson, dem trauernden Ehemann von Marie Howe-Ferguson, und mit dem Kardiologen Dr. John Morrissey, ihrem engen Freund und Partner, geführt hatte. Der Commander hatte ihm seinen Segen gegeben, alles zu tun und zu sagen, was vertretbar war und die beiden Männer zumindest noch eine Weile in Schach halten würde. Joe hatte sich kurz nach acht mit ihnen im Salon des Stadthauses der Fergusons am North Lincoln Square getroffen. Es war ein Raum, neben dem sogar Mr. Hagens Wohnung fast billig aussah. Feine Kunst, Antiquitäten, Silber, ein funkelndes Klavier, auf dem eine Reihe gerahmter Fotos standen, ein hübscher Kamin mit glühen-
den Holzscheiten, und jedes kleinste Detail bewies einen ausgezeichneten Geschmack, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Dieser Reichtum hatte eine lange Tradition, und nichts davon hatte eigentlich viel mit Sean Ferguson zu tun, der aussah, als ob er sich in einem ausgebauten Dachboden wohler gefühlt hätte. Doch es war auch deutlich erkennbar, dass er seine Frau innig geliebt hatte und bereit war, gegen jeden einen Kampf zu führen, wenn es sein musste. Ob es sich dabei um Lieutenant Joseph Duval, den Präsidenten der Hagen Industries oder den Direktor des FBI handelte, war ihm ziemlich gleichgültig.
»Meine
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