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... und dann bist du tot

... und dann bist du tot

Titel: ... und dann bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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Joe Duval noch einmal anzurufen. Ein Gespräch mit jemandem, der wusste, was er fühlte, hätte ihm gut getan, aber es war nicht fair, Duval zu stören, wenn er ihm nichts Neues zu sagen hatte.
    Chris ging in eine Bar, trank eine Cola und lief wieder durch die Straßen. Jetzt waren weniger Menschen unterwegs, denn die meisten aßen zu Abend. Chris hatte einen Restaurantführer in seiner Tasche und eine Blase am großen Zeh des rechten Fußes. Er ging in fünf Restaurants, die auf der Duval Street und in der Nähe lagen, überflog die Gäste und ging wieder hinaus. Im sechsten sah er wieder zwei Polizisten, die Lallys Bild herumzeigten, und er empfand plötzlich ein Gefühl der Zuneigung für sie. Auf einmal fühlte er sich etwas weniger allein, aber sie hatten sie noch immer nicht gefunden, und allmählich fragte er sich, ob man sie je finden würde oder ob Lally und Hugo nicht vielleicht vom Rand der Welt gefallen waren, um nie mehr aufzutauchen.
    Eigentlich wusste er nicht, was ihn zu diesem bestimmten Teil dieses bestimmten Hafens zurückführte. Mittlerweile hatte er ihn schon dreimal aufgesucht, seitdem er am Nachmittag angekommen war. Nun war es fast Mitternacht, und abgesehen von einigen total coolen, bezaubernden Typen, die an Deck ihrer Yachten an ihrem Schlummertrunk nippten, waren kaum andere Menschen unterwegs.
    Sein Blick fiel auf ein Fischerboot in der Nähe, ein schönes altes Schiff, dessen Segel ordentlich eingerollt waren. Es sah im blassen Schein des Mondes anmutig und friedlich aus. Eine alte graue Katze saß in der Nähe des Hecks auf dem Rand des Schiffes und putzte sich in stiller Konzentration. Nachts sind alle Katzen grau. Chris stand ganz still und beobachtete sie. Es war das erste Mal seit Tagen, dass er sich bewusst Zeit nahm, um sich etwas anzusehen, wirklich hinzuschauen, und er begriff, dass er für heute Nacht zumindest aufgegeben hatte. Wahrscheinlich war er auch zu müde, um noch weiter Ausschau zu halten. Sicher gab es nichts mehr, was er tun konnte, außer vielleicht ein wenig
    zu schlafen, wenn auch nur auf dem Rücksitz seines Wagens.
    Die Katze hörte auf, sich zu waschen und schaute ihn an.
    »Hallo«, sagte Chris.
    Sie versteifte sich ein wenig, stand aber nicht auf, und betrachtete ihn.
    »Lass dich nicht stören.«
    Und dann bemerkte er, dass die Katze gar nicht ihn, sondern an ihm vorbei auf etwas hinter ihm schaute.
    »Chris? Bist du es?«
    Er bewegte sich nicht. Litt er unter Halluzinationen?
    »Chris?«
    Er drehte sich um. Dort stand sie, nicht mehr als drei Meter hinter ihm. Sie trug einen leichten Rock und ein dunkles, am Hals gebundenes Top. Ihre Arme waren nackt, und ihre langen, schlanken Beine waren unter dem durchscheinenden Stoff des Rockes zu sehen. Ihr langes, glattes Haar flatterte in der sanften Brise, die vom Golf von Mexiko herüberwehte, und der Mond hinter ihr umgab sie mit einem silbernen Schein. Sie war unglaublich hübsch und bot den allerschönsten Anblick, den er je gesehen hatte.
    »Du bist es wirklich«, sagte Lally leise, die ihren Augen nicht traute.
    »Ich dachte ...« Er war so heiser, dass seine Worte fast in seiner Kehle stecken blieben. »Ich dachte, du seist ein Geist.«
    Sie ging näher auf ihn zu. »Ich bin kein Geist.«
    »Gott sei Dank.«
    »Was machst du hier?« Ihre Stimme war lieblich, verdutzt und vollkommen ruhig. »Ich kann gar nicht glauben, dass du es bist. Hast du auch Urlaub? Ist Katy bei dir?«
    Chris strich sich mit der Zunge über die Lippen. »Wo ist Hugo?«
    »Er trinkt noch ein Gläschen mit Leuten, die wir kennen gelernt haben.« Sie drehte sich um und wies mit dem Kinn auf eine der kleineren Yachten, die etwas weiter hinten festgemacht hatten. »Ich wollte noch ein wenig bummeln, und ...« Sie verstummte, als sie in sein Gesicht sah. »Chris, stimmt etwas nicht?«
    Es gelang ihm zu lächeln, obwohl sein Herz raste und jede Spur von Müdigkeit verschwunden war. Er hatte seit zwei Tagen von diesem Moment geträumt, hatte sich ausgemalt, Lally zu finden, sie an sich zu reißen, sie sicher in seinen Armen zu halten und sie nie mehr Weggehen zu lassen. Doch nun stand sie nur wenige Meter von ihm entfernt, und sie benahmen sich beide wie höfliche Menschen, die sich kaum kannten und im Urlaub zufällig aufeinander stießen. Sie sah so glücklich aus, so gesund, so normal , und als er daran dachte, dass er all das zerstören und Entsetzen verbreiten musste, überkam ihn das ungeheure Verlangen wegzurennen. Wie sollte er ihr

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