Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
Vom Netzwerk:
lachen und klopfe ihm beruhigend auf die Schulter. „Es ist nicht einfach, sich daran zu gewöhnen, dass man plötzlich mit einem Engel zusammenwohnt. Das legt sich mit der Zeit, hoffe ich wenigstens.“
    „Aber du“, erwidert Rafael ernst, „du glaubst mir doch, oder?“
    Ich zögere einen Moment und dann sage ich: „Ja“, und in dem Augenblick merke ich, dass ich es tatsächlich so meine. So verrückt es auch sein mag, ich glaube langsam wirklich, dass Rafael auf die Erde geschickt wurde, um mir zu helfen, mein Leben in neue Bahnen zu lenken. Diese Erkenntnis überrascht mich selbst. Wie ich zu dieser Überzeugung gekommen bin, kann ich mir auch nicht erklären. Vielleicht ist es Wunschdenken, vielleicht ist es die Sehnsucht nach jemandem, der mich an die Hand nimmt und mir sagt, was ich tun muss, um endlich meinen Traumprinzen zu finden. Vielleicht aber habe ich auch einfach nur einen an der Klatsche. Ich starre Rafael an und auf einmal habe ich einen dicken Kloß im Hals.
    „Gut“, erwidert Rafael und lächelt mich an, „das ist gut, Marco.“ Dann jedoch wird seine Aufmerksamkeit von einem kleinen Tumult in seiner Jackentasche abgelenkt. „Oh“, sagt er und bugsiert meinen fiependen Hamster an die frische Luft, „ich habe wohl vergessen, Fridolin XIV. in seinen Käfig zu stecken.“
    „Das glaube ich einfach nicht!“ antworte ich fassungslos. „Du hast Fridolin mitgenommen? Das arme Vieh! Was sollen wir denn jetzt machen?“
    Fridolin klettert an Rafaels Schulter empor, verschwindet einen Moment hinter dem Nacken und taucht schließlich oben auf Rafaels Kopf auf, wo er wie ein kleiner Dutt aus Fell thront und interessiert seine Nase in den Wind hält.
    „Nichts“, erklärt Rafael ruhig, „gönn ihm den kleinen Ausflug doch einfach. Schließlich war er noch nie auf einem Weihnachtsmarkt!“
    „Aber wenn ihm etwas zustößt! Er könnte herunterfallen und zertreten werden!“ Ich gebe zu, dass ich ein kleines bisschen hysterisch klinge, aber was das unnatürliche Ableben meiner Hamster angeht, bin ich ein gebranntes Kind.
    „Er ist bei mir so sicher wie in Abrahams Schoß“, sagt Rafael, „es wird ihm nichts geschehen.“
    Ich bin mir da zwar nicht sicher, schließlich ist mir in Rafaels Gegenwart schon so einiges passiert, aber andererseits habe ich auch keine bessere Lösung parat.
    Am Glühweinstand stoßen wir wieder zu den anderen, und während Patrick sich anstellt, um eine Runde Glühwein zu organisieren, starren mich Anja und Lars erstaunt an, als sie sehen, dass Rafael meinen Hamster auf seinem Kopf balancierend spazieren trägt.
    „Fragt nicht“, wehre ich ab und verdrehe die Augen.
    „Bist du sicher, dass das eine gute Idee war, Rafael?“ sagt Anja und deutet auf einen Fleck auf seiner Jacke. „Du hast Hamsterkotze auf deiner Schulter.“
    Fridolin sieht tatsächlich mittlerweile etwas mitgenommen aus. Er hat einen Gesichtsausdruck, als wäre er gerade aus einer Achterbahn ausgestiegen. Das Herumgeschaukele auf Rafaels Kopf scheint ihm nicht zu bekommen. Neben uns stehen ein paar Leute, die tuschelnd und ellenbogenstoßend auf den Engel zeigen. Eine Gruppe älterer und angetrunkener Hausfrauen, wahrscheinlich ein Kegelverein aus Wanne-Eickel, macht Anstalten, Fridolin zu streicheln, und ich kann sie nur mit Mühe davon abhalten. Ich komme mir vor wie der Wärter einer grotesken Kirmesattraktion.
    Wie vermutet, sind die meisten Besucher des Weihnachtsmarktes tatsächlich Touristen, heute vor allen Dingen Asiaten, die so aufdringlich lächeln, als wären sie mit einem permanenten Lachmuskelschließkrampf auf die Welt gekommen, und einige versprengte Amerikaner, die alle fünf Sekunden verzückt juchzen, auf den Dom deuten und sich gegenseitig bestätigen, wie „beautiful “ doch alles sei. Als eine ältliche Dame im Jogginganzug und mit blaugefärbten Haaren zögernd auf mich zukommt und mich fragt, was denn das für ein imposantes Gebäude sei, sehe ich meine Vorurteile gegen die kulturelle Ignoranz der Amerikaner mal wieder bestätigt.
    „Es ist eine Moschee“, antworte ich schließlich zuckersüß. „Für unsere islamischen Mitbürger. Osama bin Laden hat sie gestiftet.“
    Die Dame sieht mich entsetzt an und schlägt die Hand vor den Mund. „ Really? “ stottert sie. „ Oh my God !“
    Kurz darauf, als die Amis verschreckt die Flucht ergriffen haben und wir endlich unsere heißen Getränke schlürfen, nimmt mich Anja beiseite. „Ich habe nachgedacht“, raunt sie mir

Weitere Kostenlose Bücher