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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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Fischhändler. Das war einer der Gründe, warum er bei eBay so günstig war. Habe ich das nicht erwähnt?“
    „Nein, das muss dir wohl entfallen sein“, gifte ich Lars an. „Schönen Dank auch.“
    „Gern geschehen“, erwidert Lars ungerührt. „Am besten dreht ihr während der Fahrt die Heizung nicht hoch, sonst wird der Gestank immer schlimmer. Als ich den Wagen abgeholt habe, musste ich auf der Rückfahrt dreimal auf einer Raststätte anhalten, weil ich plötzlich so einen Heißhunger auf Fischbrötchen hatte.“
    „Adolf, aussteigen!“ sage ich. „Wir nehmen doch mein Auto!“ Aber die Dogge denkt gar nicht daran, sich von der Rückbank zu erheben. Anscheinend habe ich gar nichts mehr zu sagen, weder bei Rafael, der über meinen Kopf hinweg einfach bestimmt hat, dass wir in die Ferien fahren, noch bei meinem Hund, dem die Aussicht auf Fischgeruch zu gefallen scheint. Seine schlabberige, rosa Zunge leckt unablässig über seine Lefzen.
    „Könnt ihr jetzt endlich losfahren?“ nörgelt Anja. „Ich friere mir hier meinen fetten Arsch ab!“ Sie wickelt den nutzlosen Seidenschal etwas fester um den Hals und vergräbt ihre Hände in den Hosentaschen. Wahrscheinlich wartet sie jetzt darauf, dass jemand ihr widerspricht, dass sie gar keinen dicken Hintern und eigentlich eine Figur wie Heidi Klum hat, aber niemand verspürt Lust, auf ihr Spielchen einzugehen.
    „Schon gut, schon gut!“ sage ich stattdessen. „Wir sind schon fast fertig.“ Auf eine gewisse Art und Weise bin ich tatsächlich froh, dass ich mich habe überreden lassen, wegzufahren und dass die Idee, mit den anderen Weihnachten zu feiern, nicht zustande gekommen ist, denn im Moment gehen mir meine Mitbewohner auf die Nerven. Für meinen Geschmack haben sie es in den letzten Tagen zu sehr an Verständnis und Mitgefühl fehlen lassen. Im Grunde sind sie alle Egoisten.
    Ich klappere mit dem Autoschlüssel und gehe um den Lieferwagen herum, um auf der Fahrerseite einzusteigen. Aber dort hat bereits Rafael Platz genommen, kurbelt am Lenkrad und macht Fahrgeräusche wie ein kleiner Junge, der auf einem Dreirad sitzt und sich einbildet, er besiege gerade Michael Schumacher beim großen Preis von Monaco.
    „Rafael! Wir wollen fahren!“ Meine Geduld hängt an einem seidenen Faden.
    „Ja“, erwidert der Engel. „Ich weiß. Gib mir die Schlüssel!“
    Ich starre Rafael überrascht an. „Du willst fahren? Du hast doch keinen Führerschein! Du hast in deinem ganzen Leben noch nie hinterm Steuer gesessen!“
    Rafael schnappt mir den Schlüssel aus der Hand, steckt ihn ins Schloss und startet den Motor. „Pah!“ sagt er. „Das kann auch nicht schwieriger sein, als Luzifer und seine Bande renitenter Umstürzler zusammen mit den himmlischen Heerscharen und einem feurigen Schwert in die Hölle zu werfen.“
    „Wann war denn das?“ fragt Lars.
    „Vor deiner Zeit“, antwortet Rafael kurz angebunden. Dann legt er einen Gang ein, tritt aufs Gaspedal und das Auto hüpft einen Meter nach vorne. Gut, dass ich vorher die Handbremse angezogen habe. „Ups“, sagt Rafael und grinst verlegen. „Entschuldigung.“
    Ich klettere über ihn drüber, setze mich zögernd auf den Beifahrersitz und ziehe den Sicherheitsgurt ganz fest.
    „Fahrt vorsichtig“, ermahnt uns Lars. „Die Karre hat keinen Airbag.“
    „Das sagst du mir jetzt“, erwidere ich mürrisch. „Hat sie wenigstens funktionierende Bremsen?“
    „Natürlich!“ sagt Lars beleidigt. „Ich hab doch gesagt, der Wagen ist wieder tipptopp in Ordnung.“ Darunter verstehe ich zwar etwas anderes, zum Beispiel ein Handschuhfach, das nicht klemmt, oder eine Fensterkurbel, die nicht mit einem Bindfaden vor dem Auseinanderfallen bewahrt wird, aber was ist in meinem Leben zurzeit schon tipptopp in Ordnung?
    Rafael bemerkt meine Niedergeschlagenheit und klopft mir auf den Oberschenkel. „Alles wird gut“, sagt er und justiert den Rückspiegel. „In ein paar Tagen sieht die Welt für dich ganz anders aus.“
    Adolf bellt bestätigend und ich knurre: „Fahr endlich los!“
    Doch bevor wir uns endgültig auf den Weg machen können, klopft Patrick an meine Seitenscheibe und reicht mir eine Thermoskanne herein. „Hier“, sagt er, „für die Fahrt.“
    „Danke“, erwidere ich, gerührt von dieser kleinen Geste. Vielleicht bin ich meinen Mitbewohnern doch nicht so gleichgültig, wie ich dachte. „Kaffee?“
    Patrick schüttelt den Kopf. „Fencheltee. Hilft gegen Verdauungsbeschwerden und stärkt die

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