Und dann der Himmel
kreuzt, warum sollte es dann nicht möglich sein, dass er den Rest meines Lebens mit mir teilt?
Rafael runzelt die Stirn und schweigt. Dann beugt er sich ein klein wenig nach vorn. „Fass unter mein T-Shirt.“
Ich sehe ihn fragend an und zwänge meine Hand unter den dünnen Baumwollstoff. Zögernd streiche ich über seinen unteren Rücken, dort, wo vereinzelt feine, dunkle Haare in seiner Hose verschwinden.
„Nicht da!“ sagt Rafael. „Höher!“
Meine Finger gleiten langsam an der Wirbelsäule nach oben, bis zu den Schulterblättern, und plötzlich fühle ich etwas Weiches, Flauschiges unter meiner Hand. Mein Lachen fällt in sich zusammen. „Was …?“
„Federn“, sagt Rafael. Seine Antwort klingt brutal und hallt in meinen Ohren nach wie das Echo in einem dunklen Tunnel. Federn.
„Du meinst …?“ Meine Hand zittert und mein Arm fällt schlaff auf den Sitz zurück.
„Ja, Marco. Es ist, wie ich dir gestern Abend versucht habe zu erklären. Meine Zeit läuft ab. Ich kann nicht bei dir bleiben. Es ist nicht vorgesehen.“
Eine Welle der Wut rollt über mich hinweg und begräbt alle anderen Gefühle unter sich. Mein Herz pumpt Enttäuschung und Ohnmacht in alle Gliedmaßen. Schwarze Flecken tanzen vor meinen Augen. Ich will Rafael nicht aufgeben. Ich habe ihn doch gerade erst gefunden.
Ohne nachzudenken, beuge ich mich nach links und greife ins Steuer. Es geschieht automatisch, instinktiv, ohne dass ich erklären könnte, warum ich es tue. Rafael sieht mich fassungslos an. Er ist so überrascht von meiner Kurzschlusshandlung, dass er für eine Sekunde das Lenkrad loslässt. Der Wagen schert quer über die Fahrbahn nach rechts aus. Adolf fängt erschrocken an zu bellen und hinter uns quietschen Reifen. Ich höre lang anhaltendes, wütendes Hupen.
„Verdammt!“ flucht Rafael. Hastig schlägt er meine Hand weg, Schweißflecke unter den Achseln verdunkeln sein T-Shirt. Ich verliere das Gleichgewicht und schlage mit der Stirn auf die Fahrerkonsole. Blut verwischt meine Sicht mit roten Streifen. Ich spüre, wie der Wagen auf der regennassen Straße hin und her rutscht und warte darauf, dass ein Auto in unseren Lieferwagen kracht. Es kann nur eine Frage von Sekunden sein. Das Geräusch von aufeinander prallendem Blech vibriert schon wie eine Vorahnung in meinen Ohren. Rafael tritt energisch auf die Bremse und kurbelt am Lenkrad, um den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen. Ein Rucksack löst sich und fällt Adolf mit einem dumpfen Laut vor die Pfoten. Fridolins Käfig fliegt quer durch den Wagen.
„Festhalten!“ ruft Rafael und versucht, das schlingernde Auto mit einem scharfen Einschlag des Steuers in Fahrtrichtung zu halten. Ich werde gegen die Beifahrertür gedrückt und bleibe regungslos in meinem Sitz liegen. Kurz darauf kommen wir auf der Standspur zum Stehen.
Rafael schaltet den Motor aus und ich höre, wie er tief durchatmet. Es ist plötzlich ganz still; nur der Regen prasselt auf das Dach. Die Ruhe nach dem Sturm. Ich drücke eine Hand gegen meine Stirn, um die Blutung zu stillen.
„Bist du wahnsinnig geworden?“ fährt Rafael mich dann an. Eine Zornesader hat sich neben seiner linken Schläfe gebildet. Seine Augen funkeln mich böse an. „Was sollte das? Du hättest dir sonst was antun können!“ Ich senke betreten den Blick und weiß nicht, was ich zu meiner Entschuldigung vorbringen soll. Es ist einfach über mich gekommen, als bräuchte ich ein Ventil, um meinem Gefühlschaos Ausdruck zu verleihen. Seit Rafael aufgetaucht ist, habe ich mein Leben nicht mehr im Griff und mich selber anscheinend auch immer weniger.
Rafael dreht sich um und versucht, sich einen Überblick über das Ausmaß der Schäden zu verschaffen. Er richtet den Hamsterkäfig auf und versichert sich, dass Fridolin nichts geschehen ist. „Bist du okay, Adolf?“ fragt er dann. Der Hund winselt verängstigt, als er seinen Namen hört, und es versetzt mir einen Stich, dass Rafael sich zuerst um meine Haustiere kümmert.
„Ich blute!“ sage ich und deute auf meine Stirn. Mir ist zum Heulen zumute.
„Es ist nur eine kleine Platzwunde, Marco. Das muss noch nicht mal genäht werden“, erwidert Rafael und ich bin mir sicher, dass es genauso verächtlich gemeint ist, wie es klingt. Dann wühlt er im hinteren Teil des Wagens den Verbandskasten aus einer Ecke hervor.
„Kopf nach hinten!“ befiehlt er, während er die Wunde nicht gerade sanft reinigt und anschließend desinfiziert. Das Antiseptikum brennt wie
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