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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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Feuer und ich schreie überrascht auf.
    „Kannst du nicht einfach deine übernatürlichen Kräfte einsetzen und mir heilende Hände auflegen oder so was?“ versuche ich mit schmerzverzerrtem Gesicht zu scherzen.
    „Selbst wenn ich könnte, würde ich es nicht tun!“ antwortet Rafael noch immer aufgebracht. „Du hast es nicht anders verdient.“ Er greift unter meine Achseln und zieht mich nach oben und das kommt mir plötzlich bekannt vor, es ist wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Angestrengt krame ich in meiner Erinnerung, aber mir fällt die passende Verbindung nicht ein. Fragend sehe ich Rafael an, doch er hat sich abgewendet und sucht in dem Erste-Hilfe-Koffer nach Verbandsmaterial. Schließlich zieht er eine Mullbinde aus dem Kasten, die er mir straff um den Kopf wickelt, bis die Platzwunde darunter verschwunden ist. „Das wird die Blutung stillen“, sagt er.
    Nachdem Rafael fertig ist, betrachte ich sein Werk im Rückspiegel. Ich komme mir vor wie ein Soldat, der nach einem Bombenangriff in einem Feldlazarett notdürftig versorgt worden ist. Meine Haare stehen wirr und verklebt vom Kopf ab, mein Gesicht ist dreckig und blutverschmiert und die weiße Mullbinde verdeckt einen Teil der Stirn. „Das sieht Scheiße aus!“ beschwere ich mich.
    „Du wolltest es doch dramatisch!“ antwortet Rafael, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. „Jetzt hör auf, herumzunörgeln!“ Er versucht, den noch immer winselnden Adolf zu beruhigen, und tätschelt ihm das Fell.
    „Es tut mir Leid“, sage ich endlich leise. „Ich meine, es tut mir Leid, dass ich dir ins Steuer gegriffen habe. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist.“ Der Schock des Beinahe-Unfalls setzt erst jetzt ein; meine Beine und meine Hände fangen an zu zittern und ich fingere in meiner Hosentasche nach einer Zigarette.
    „Weißt du, was dein Problem ist, Marco?“ fragt Rafael, während er den Motor wieder startet.
    Ich schüttele stumm den Kopf und sauge gierig das Nikotin in meine Lungen.
    Rafael setzt den Blinker und reiht sich in den fahrenden Verkehr ein. „Wenn etwas nicht so läuft, wie du es dir vorstellst, machst du es kaputt“, sagt er. „Du bist wie ein verzogenes Kind, das aus Wut sein Spielzeug an die Wand wirft, wenn es etwas nicht bekommen kann, was es sich wünscht. Aber das Leben ist nicht perfekt. Manchmal ist es besser, wenn man auf seine Idealvorstellungen verzichtet.“
    „Aber ich will nicht auf dich verzichten!“ erwidere ich heftig. „Deshalb bin ich ja ein bisschen ausgeflippt!“
    „Ich rede nicht von uns, sondern von deinen gescheiterten Beziehungen. Ich rede von Finn.“
    „Finn? Was hat der denn damit zu tun?“
    „Er hat wirklich etwas für dich empfunden. Aber er war nicht perfekt genug für dich. Er hat einen Fehler gemacht und du hast ihm kurzerhand den Laufpass gegeben. Du hast eine Beziehung kaputt gemacht, in der du glücklich hättest werden können.“
    Ich schnaube grimmig lachend auf. „Finn“, sage ich. „Finn war ein Arsch! Er hat die Beziehung kaputt gemacht, weil er mit einem anderen Kerl in die Kiste gehüpft ist. Das wollen wir doch mal klarstellen.“
    „Menschen sind fehlbar, es liegt in ihrer Natur“, erwidert Rafael.
    „Ich hätte also deiner Meinung nach so tun sollen, als wäre nichts passiert?“ frage ich nach.
    „Nein. Aber vielleicht hättest du ihm eine zweite Chance geben sollen. Du musst lernen zu verzeihen.“
    „Deine salbungsvolle Rhetorik hilft mir auch nicht weiter“, sage ich wütend.
    „Dein verletzter Stolz und deine Rachsucht aber genauso wenig“, pariert Rafael und ich weiß genau, worauf er anspielt.
    „Nein“, sage ich, „aber sie verschaffen mir ein gutes Gefühl.“
    Dass meine Worte einen schalen Geschmack im Mund hinterlassen, erwähne ich nicht.
    In den Alpen hat der Winter einen klaren, kalten Morgen hervorgebracht. Die Sonne scheint mit ungewöhnlicher Kraft und taucht die Silhouette der Berge in ein gleißendes, schmerzhaftes Licht. Nicht eine Wolke durchbricht das Blau des Himmels, nur ein paar Dunstschleier steigen aus dem Tal empor. Wenn Finn den Kopf hebt, kann er weit blicken; die benachbarten, schneebedeckten Gipfel scheinen zum Greifen nah, obwohl sie mehr als fünfzig Kilometer entfernt sind.
    Finn ist zeitig aufgestanden, um dem ersten Touristenansturm zuvorzukommen. Er hat sich ein paar Brote geschmiert, etwas zu Trinken eingepackt und festes Schuhwerk angezogen. Dann ist er in die nahe gelegene Kleinstadt noch etwas höher in

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