Und dann der Tod
schwarz.«
»Das ist die Standardausrüstung. Marineblau oder schwarz und alles bügelfrei. Sonst noch was?«
»Eine Kamera. Ich will meine Kamera.«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich habe sie nicht gesehen, seit ich Sie nach San Andreas gebracht habe. Vermutlich hat Esteban sie.«
»Aber ich brauche sie.« Sie wußte, daß sie unvernünftig war, aber ohne ihre Kamera fühlte sie sich unvollständig … hilflos.
»Soll ich Ihnen eine andere besorgen?«
Besorgen? Man besorgte nicht einfach eine Kamera. Man mußte sie ausprobieren und gründlich untersuchen und das Gefühl für sie entwickeln. »Ich hatte diese Kamera seit acht Jahren. Es ist meine Lieblingskamera.«
»Tut mir leid, ich werde nicht zurückgehen, um sie zu holen.
Soll ich Ihnen eine andere kaufen?«
»Nein, das werde ich selber tun.« Sie ging wieder zum Angriff über. »Ich will Antworten. Was Sie mir über Tenajo erzählt haben, kann doch nur die Spitze des Eisbergs sein.«
»Nicht jetzt. Ich bin Ihnen doch ohnehin schon ausgeliefert; Sie haben keinen Grund zu drängen. Sie sind erschöpft.«
Sie war erschöpft und verwirrt, und sie wußte sowieso nicht, ob sie irgend etwas von dem begreifen würde, was er ihr erzählte. Vielleicht sollte sie sich lieber erst nach dem Abendessen darum kümmern. Kaldak wich ihr aus, und sie war erleichtert, eine Zeitlang nicht offensiv sein zu müssen.
»Sie entwischen mir schon nicht.« Sie nahm das Handtuch vom Kopf und fing an, ihre Haare zu trocknen.
»Offenbar kommen Sie auch ohne Fön zurecht. Diese Anpassungsfähigkeit muß Ihnen ja auf Ihren Reisen ganz gelegen kommen. In Kroatien wimmelt es heutzutage nicht gerade von Frisörsalons.«
Sie hielt mitten in der Bewegung inne. »Woher wissen Sie, daß ich in Kroatien war?«
»Esteban hat über Ihre Schwester und Sie einen Bericht angefordert, nachdem Sie auf Ihrer Fahrt nach Tenajo gesichtet wurden. Er wollte sichergehen, daß Sie nicht für eine Organisation arbeiten, die ihn hätte in Schwierigkeiten bringen können.« Er öffnete die Kühlschranktür. »Deshalb habe ich versucht, ihn zu überreden, mich Sie verfolgen zu lassen und einer möglichen Bedrohung ein Ende zu machen.«
Sie erstarrte.
Er nahm eine Milchtüte heraus und stellte sie auf den Tresen.
»Er wollte nicht, daß ich es tue. Inzwischen ist mir klar, daß er Sie durch die Seuche umkommen lassen wollte.«
»Sie hätten uns getötet?«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn es möglich gewesen wäre, ohne meine Tarnung aufzugeben, hätte ich Sie gewarnt und versucht, Sie aus der Gegend herauszubringen, ohne daß Esteban es erfahren hätte.«
»Und wenn Ihre Tarnung aufgeflogen wäre?«
Er nahm zwei Gläser aus dem Küchenschrank. »Dann hätte ich eine Entscheidung treffen müssen.«
»Aber Sie haben Ihre Tarnung in San Andreas aufgegeben.«
»Das war ein kalkuliertes Risiko, und zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon eine Menge mehr über die Operation herausgefunden.« Er goß Milch in die beiden Gläser. »Ich hatte mich zwei Monate lang bemüht, Estebans Vertrauen zu gewinnen. Ich brauchte diese Information.«
Sie war verblüfft über die Leidenschaft, die in dem letzten Satz mitgeklungen hatte. »Warum erzählen Sie mir das?«
»Damit Sie wissen, wie wichtig es für mich ist, Esteban aufzuhalten.« Er sah ihr direkt in die Augen. »Wenn es nötig gewesen wäre, hätte ich Sie, Ihre Schwester und Ihren Fahrer getötet.«
»So wichtig kann gar nichts sein.«
»Sagen Sie das mal den Menschen, die in Tenajo gestorben sind.«
»Aber Sie haben Tenajo nicht gerettet.«
»Nein.« Er kniff die Lippen zusammen. »Nein, habe ich nicht.« Er drehte ihr den Rücken zu und langte in den Hängeschrank.
Plötzlich wurde ihr klar, daß er Schuldgefühle hatte.
Schreckliche Schuldgefühle. Unter seiner harten Schale war er trotz allem menschlich. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schock.
Er nahm zwei Teller vom Regal herunter. »Bringen Sie die Milch ins Eßzimmer. Ich komme mit den Hähnchen.«
Sein Gesicht war wieder ausdruckslos. Sie erhob sich vom Hocker und nahm die Gläser. »Fertiggerichte werden eigentlich in der Küche gegessen.«
»Meine Mutter hat mir beigebracht, daß das Abendessen grundsätzlich im Eßzimmer serviert wird. Eine Angewohnheit, die ich nicht ablegen kann.« Er zögerte. »Ob Sie’s glauben oder nicht, auch ich hatte eine Mutter. Ich bin nicht unter einem Felsen hervorgekrochen.«
Sie mußte lächeln. »Ich habe eigentlich mehr an ein stählernes Ei von
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