Und dann der Tod
gemeint war. »An Ihrer Stelle würde ich mir darüber keine Sorgen machen.«
»Von wegen. Es beschäftigt mich die ganze Zeit.« Er hob sein Glas Milch. »Es ist notwendig.« Er trank einen kräftigen Schluck. »Erkenntnis ist alles. Sie macht die –
Warum lachen Sie?«
Ohne nachzudenken, nahm sie ihre Serviette und wischte ihm die Oberlippe ab. »Sie haben einen Schnurrbart. Sie erinnern mich an Julie. Sie hat nachher auch immer –« Der Gedanke an Julie erinnerte sie auch schmerzhaft an Emily. Wie konnte sie sie nur vergessen, selbst für einen kurzen Moment?
»Julie ist die Tochter Ihrer Schwester? Die mit der Freundin im Internet?«
Sie nickte.
»Sieht sie Emily ähnlich?«
»Nein, sie ähnelt niemandem. Emily behauptet zwar, daß sie mir ein bißchen ähnlich sieht, aber ich glaube, sie ist ein Original.«
»Haben Sie viel mit ihr und Tom Corelli zu tun?«
»Ich liebe sie, und Tom ist immer nett zu mir. Ich mag ihn sehr gerne.« Sie spürte plötzlich eine Spannung, die noch kurz zuvor nicht dagewesen war. »Warum fragen Sie?«
»Wie steht es mit anderen Leuten? Mit wem haben Sie noch viel zu tun?«
»Sie reden wie Esteban. Er hat mich auch schon ins Verhör genommen.«
»Estebans Gründe und meine Gründe sind nicht dieselben.«
»Das will ich auch nicht hoffen. Er hat sich für alle näheren Angehörigen interessiert, die ihm Ärger machen könnten, falls er mir die Kehle durchschneidet.«
»Und ich bin daran interessiert, Sie davor zu bewahren, daß man Ihnen die Kehle durchschneidet. Sie sind doch geschieden?
Haben Sie noch mit ihrem Ex-Mann zu tun?«
»Nein.« Sie rümpfte die Nase. »Wir waren nur ein Dreivierteljahr verheiratet. Ein einziger großer Fehler. Emily hielt ihn von Anfang an für einen Schwächling, aber ich wollte nicht auf sie hören.«
»Warum nicht?«
»Meine Hormone kamen dazwischen. Matt ist Musiker. Er ist hinreißend, sexy, und man konnte sich gut mit ihm unterhalten, wenn das Thema nicht zu anspruchsvoll war. Er konnte Tiefgang nicht leiden.« Sie nahm einen kleinen Schluck Milch.
»Und er hielt nichts von Treue. Keine zwei Monate nach unserer Hochzeit fing er an, mit anderen Frauen zu schlafen.«
»Aber Ihre Ehe hat neun Monate gedauert.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin stur. Ich wollte nicht zugeben, daß ich schon wieder einen Fehler begangen hatte.
Deshalb gab ich nicht auf. Aber es fehlte die Basis, worauf man hätte aufbauen können.«
»Schon wieder ein Fehler?« wiederholte er.
»Ich bin nicht so perfekt wie Emily.«
»Erzählen Sie mir von Ihren Freunden. Gibt es da jemand Besonderes?«
»Nein, in meinem Job muß ich viel reisen. Es ist schwierig, Freundschaften aufrechtzuerhalten, wenn man ständig Hochzeitstage und Geburtstagsfeiern verpaßt und –
Warum fragen Sie?«
»Wo wohnen Sie?«
»Ich wohne zur Untermiete in New Orleans.«
»Irgendwelche Nachbarn, die Sie mögen?«
»Ich komme mit allen Nachbarn gut aus.«
»Mit irgend jemandem besonders gut?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Haustiere?«
»Man sollte keine Haustiere halten, wenn man sich nicht um sie kümmern kann.«
»Also haben Sie niemanden außer Emily und ihrer Familie?«
Sie runzelte die Stirn. »Ich habe Freunde, jede Menge Freunde. In der ganzen Welt.«
»Das glaube ich Ihnen gerne. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«
»Na ja, ich komme mir ja langsam vor wie ein armes Waisenkind.«
»Ich versuche einfach nur herauszufinden, an welcher Stelle Sie verwundbar sind.«
»Ich bin nicht verwundbar.« Ihr wurde plötzlich unbehaglich.
»Oder vielleicht doch? Julie und Tom?«
»Vielleicht. Ihre Wohnung in New Orleans wird schon überwacht, aber nach dem Abendessen geben Sie mir bitte die Adresse der Corellis und ihre Telefonnummer. Ich werde dafür sorgen, daß sie beschützt werden.«
»Einverstanden. Aber ich glaube nicht, daß wir uns sofort darum kümmern müssen. Tom und Julie sind in Kanada mit dem Zelt unterwegs. Sie sind die ganzen drei Wochen, die Emily und ich in Mexiko bleiben wollten, weg.«
»Wie kann man sie erreichen?«
»Nur als Grizzlybär. Tom kennt sich in der freien Natur aus, und wenn er zeltet, dann geht’s richtig zur Sache. Sie parken ihr Auto an einer Ranger-Station. Sie ernähren sich von dem, was sie in der Natur finden.«
»Sind sie über Funk erreichbar?«
»Nein, aber für den Notfall haben sie Leuchtmunition.«
»Dann sagen Sie mir, wo die Station liegt, damit ich einen meiner Leute dahin beordern kann. Er kann sie dann
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