Und dann der Tod
ist Nakoa?«
Er schwieg eine Zeitlang, so daß sie schon dachte, er würde nicht antworten. Schließlich begann er zu sprechen. »Nakoa war auch ein Tenajo. Es war eine Einrichtung der Vereinigten Staaten für biologische Forschung auf einer winzigen Insel im Südpazifik. Ihr Zweck bestand in der Entwicklung von Impfstoffen für den Fall des Einsatzes von Waffen in der biologischen Kriegsführung.« Sein Gesicht war ausdruckslos.
»Alle sind gestorben. Es gab keine Überlebenden.«
Ihr war plötzlich übel geworden. »Alle?«
Er nickte. »Die Bakterien drangen durch die zentrale Klimaanlage ein, die sowohl die Labors als auch die Wohnungen der dort arbeitenden Wissenschaftler versorgte.
Dreiundvierzig Männer, Frauen und Kinder.«
»Und Esteban hatte etwas damit zu tun?«
»Allerdings. Zunächst einmal wußten wir nicht, wer dafür verantwortlich war, aber wir fanden später heraus, daß einer der Wissenschaftler auf der Insel auf der Gehaltsliste von Esteban stand. Jennings hatte verschiedene Bakterien rausgeschmuggelt, und zwar für Esteban, der sie anschließend an Saddam Hussein verkaufte. Aber Ramsey kam dahinter, so daß Esteban gezwungen war, die Beweismittel zu vernichten und die weiteren Ermittlungen aufzuhalten. Jennings setzte die Bakterien frei, bevor er verschwand und untertauchte. Es war zu gefährlich für Ramsey, jemanden auf die Insel zu schicken, um die Ermittlungen weiterzuführen. Nakoa wird für die nächsten fünfzig Jahre Ödland sein.«
Männer, Frauen, Kinder – sie alle waren wegen Esteban gestorben. »Warum habe ich davon nie etwas gehört?«
»Wir haben es vertuscht. Das war nicht besonders schwierig.
Es handelte sich um eine absolut geheime Anlage, und niemand wollte zugeben, daß sie überhaupt existiert hatte.«
»Eine Vertuschung?«
»Sie sind entsetzt? Ich weiß, wie sehr sie so etwas verabscheuen. Aber ich würde es wieder so machen. Wir wußten nicht, wer verantwortlich war, und wir mußten es herausfinden.
Ich brauchte drei Jahre, um die Verbindung zu Esteban aufzudecken. Ich verfolgte die Spur von Jennings, bis ich ihn in Libyen fand. Bevor er starb, führte er mich zu Esteban und Habin.«
»Waren Sie einer der Wissenschaftler, die auf Nakoa gearbeitet haben?«
»Ja.«
»Aber Sie haben überlebt.«
»Ich war in Washington, um einen Bericht abzuliefern. Es war alles schon vorbei, als ich wieder zurückfuhr. Ramsey fing mich in Tahiti ab, um mir die Neuigkeiten mitzuteilen.«
Seine Stimme klang gleichgültig, ohne jede Gefühlsregung. Er hätte genausogut über den Börsenbericht reden können, aber die Gleichgültigkeit war gespielt. Mittlerweile kannte sie ihn besser.
»Es tut mir leid.«
»Es muß Ihnen nicht leid tun. Das ist schon lange her. Ich war ein ganz anderer Mensch.«
»Blödsinn.«
Er lächelte schwach. »Sie glauben mir nicht?«
»Ich glaube, Sie schützen sich selbst durch Verdrängung, genau wie wir alle.«
»Vielleicht haben Sie recht«, sagte er müde. »Ich weiß, daß es immer schwieriger wird zu unterscheiden, was richtig ist und was falsch. Früher war das viel einfacher. Esteban zu schnappen war richtig. Alles andere war falsch.« Er sah ihr wieder in die Augen. »Und das ist doch auch genau das, was Sie empfinden, stimmt’s?«
»Ja, das ist genau das, was ich empfinde.«
»Lassen Sie mich Ihnen eine hypothetische Frage stellen.
Angenommen, um Esteban zu töten, müßte auch Josie sterben, würden Sie es dann zulassen?«
»Spinnen Sie nicht herum. Sie wissen, daß ich das nicht zulassen würde.«
»Dann sind Sie nicht annähernd so schlecht, wie ich es war. Es gab mal eine Zeit, da hätte ich jeden auf der Welt sterben lassen, nur um Esteban zu schnappen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das hätten Sie nicht.«
»Ihr Vertrauen ehrt mich, aber es ist fehl am Platz. Zuerst war ich der Teufel in Person und jetzt –«
»Herrgott noch mal, ich behaupte ja nicht, daß Sie ein Engel sind. Sie sind nur ganz einfach kein Ungeheuer. Genausowenig wie ich. Esteban ist das Ungeheuer.«
»Ich hoffe, Sie haben recht.«
»Verlassen Sie sich drauf.«
Sie ging in ihr Schlafzimmer und schloß die Tür hinter sich.
Sie brauchte eine Dusche und Schlaf, sie wollte allein sein.
Kaldaks Geschichte hatte ihr gerade noch gefehlt, um dem Schrecken dieses Tages die Krone aufzusetzen. Aber sie hatte ihn schließlich darum gebeten. Nein, sie hatte es gefordert. Sie hatte es wissen wollen. Warum war es ihr so wichtig gewesen?
Wahrscheinlich aus
Weitere Kostenlose Bücher