Und dann gabs keines mehr
eingegangen?», fragte Vera ungeduldig. «Er ist der Einzige, der sich in der Medizin auskennt. Er kann beschwören, dass die Leiche mindestens schon eine Stunde tot war. Und wer wollte ihm widersprechen?»
Philip betrachtete sie nachdenklich.
«Ihre Idee ist ganz schön clever. Ich frage mich…»
II
«Wer ist es, Mr. Blore? Das muss ich wissen. Wer ist es?»
In Rogers’ Gesicht arbeitete es. Seine Finger umklammerten ein Fensterleder, das er in der Hand hielt.
«Tja, mein Lieber, das ist die Frage!», erwiderte Exinspektor Blore.
«Einer von uns, hat Seine Lordschaft gesagt. Aber wer? Das will ich wissen. Wer ist dieser Satan in Menschengestalt?»
«Das wüssten wir alle gern.»
«Aber Sie wissen doch was, Mr. Blore», sagte Rogers mit verschwörerischer Stimme. «Sie haben ganz sicher ‘ne Vermutung, hab ich Recht?»
«Vielleicht habe ich wirklich eine Vermutung», sagte Blore bedächtig, «aber glauben ist nicht wissen. Ich kann mich irren. Aber eins steht fest: Wenn ich Recht habe, ist die Person, von der wir reden, ein ziemlich gerissener Bursche – wirklich ziemlich gerissen.»
Rogers wischte sich den Schweiß von der Stirn.
«Es ist wie ein böser Traum», krächzte er mit heiserer Stimme. «Ein Albtraum!»
Blore sah ihn neugierig an. «Haben Sie selbst vielleicht einen Verdacht, Rogers?»
Der Butler schüttelte den Kopf.
«Ich weiß nicht. Ich weiß überhaupt nichts, und das macht mir am allermeisten Angst. Dass man nichts weiß…»
III
«Wir müssen weg von hier – unbedingt – weg! Koste es, was es wolle!», rief Doktor Armstrong erregt.
Richter Wargrave blickte nachdenklich aus dem Fenster des Rauchsalons. Seine Finger spielten mit der Kordel seiner Brille.
«Ich will nicht behaupten, ich könnte das Wetter vorhersagen», antwortete er, «aber ich würde meinen, dass es momentan für ein Boot schier unmöglich ist, zu uns herüberzukommen – selbst wenn jemand von unserer Zwangslage wüsste. Unter vierundzwanzig Stunden ist da nichts zu machen, und auch dann nur, wenn der Wind sich wieder beruhigt.»
Dr. Armstrong ließ seinen Kopf in die Hände sinken und stöhnte auf: «Und in der Zwischenzeit werden wir vielleicht allesamt im eigenen Bett ermordet?»
«Ich hoffe nicht», sagte Richter Wargrave. «Ich habe vor, jede mögliche Vorsichtsmaßnahme dagegen zu ergreifen.»
Blitzartig schoss Armstrong die Erkenntnis durch den Kopf, dass ein alter Mann wie der Richter möglicherweise viel stärker am Leben hing als mancher junge Mensch. In den Jahren seiner Tätigkeit als Arzt hatte er sich darüber schon oft gewundert. Hier war er selbst etwa zwanzig Jahre jünger als der Richter, und doch war sein Überlebenswille wesentlich geringer ausgeprägt.
Der Richter dachte gerade: «Im eigenen Bett ermordet! Ärzte sind doch alle gleich – können nur in Klischees denken. Von absolut durchschnittlichem Verstand.»
«Immerhin hat es schon drei Opfer gegeben», sagte Dr. Armstrong jetzt. «Daran möchte ich Sie erinnern.»
«Gewiss. Aber erinnern Sie sich bitte daran, dass sie allesamt auf den Angriff nicht vorbereitet waren. Wir aber sind vorgewarnt.»
«Und was nutzt uns das?» Dr. Armstrongs Stimme klang bitter. «Früher oder später –»
«Ich glaube, es gibt einiges, was wir tun können», erklärte der Richter.
«Wir wissen noch nicht einmal, wer es sein könnte», gab Armstrong zu bedenken.
Der Richter strich sich übers Kinn und murmelte: «Ach wissen Sie, das würde ich so nicht sagen.»
Armstrong starrte ihn an.
«Heißt das, Sie wissen, wer…?»
«Was die tatsächlichen Beweise angeht», antwortete er vorsichtig, «wie sie bei Gericht gefordert werden, muss ich passen, ich habe keine. Aber wenn ich die ganze Sache noch einmal durchgehe, scheint mir, dass sich eine bestimmte Person ganz klar abzeichnet. Ja, das glaube ich.»
Armstrong starrte ihn an.
«Ich verstehe nicht.»
IV
Miss Brent ging nach oben auf ihr Zimmer.
Sie nahm ihre Bibel und setzte sich ans Fenster. Sie schlug eine Seite auf. Nach kurzem Zögern legte sie die Bibel beiseite und ging zum Frisiertisch. Aus einer Schublade holte sie ein kleines, in schwarzes Papier gebundenes Notizbuch. Sie schlug es auf und begann zu schreiben.
Etwas Schreckliches ist geschehen. General MacArthur ist tot. (Sein Cousin ist mit Elsie MacPherson verheiratet.) Es besteht kein Zweifel, dass er ermordet wurde. Nach dem Mittagessen hielt uns der Richter eine höchst interessante Ansprache.
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