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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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als sie in die Eingangshalle liefen, kam Emily Brent durch die Haustür herein. Sie trug einen Regenmantel.
    «Die Wellen sind noch genauso hoch. Ich glaube nicht, dass heute ein Boot auslaufen kann.»
    «Sind Sie etwa mutterseelenallein auf der Insel rumspaziert, Miss Brent?», fragte Blore. «Sie sind sich wohl nicht darüber im Klaren, wie dumm das ist?»
    «Ich versichere Ihnen, Mr. Blore, dass ich immer sehr gut aufgepasst habe», erwiderte Emily Brent.
    «Irgendwas von Rogers gesehen?», fragte Blore grimmig.
    Miss Brents Augenbrauen hoben sich.
    «Rogers? Nein, ich habe ihn heute Morgen noch nicht gesehen. Wieso?»
    Richter Wargrave kam, rasiert und angezogen und mit den falschen Zähnen am richtigen Platz im Mund, die Treppe herunter. Er lief auf die offen stehende Esszimmertür zu.
    «Aha», sagte er. «Wie man sieht, hat er den Frühstückstisch gedeckt.»
    «Das kann er auch gestern Abend noch gemacht haben», gab Lombard zu bedenken.
    Alle traten ins Zimmer und betrachteten die sorgfältig gedeckten Teller und Bestecke, die auf der Anrichte aufgereihten Tassen, den Untersetzer für die Kaffeekanne. Vera sah es als Erste. Sie packte den Richter am Arm, und der Griff ihrer trainierten Finger ließ den alten Herrn zusammenzucken. «Die Figuren!», rief Vera laut. «Sehen Sie nur!» In der Mitte des Tisches standen nur noch sechs Porzellanfiguren.
     

II
     
    Sie fanden ihn wenig später.
    Er lag in dem kleinen Waschhaus auf der anderen Seite des Hofes, wo er Holz für das Herdfeuer in der Küche gehackt hatte. Er hielt das kleine Hackbeil noch in der Hand. Eine große, schwere Axt lehnte an der Tür, das Metall der Klinge war in ein stumpfes Braun verfärbt, das nur allzu gut zu der tiefen Wunde in Rogers’ Hinterkopf passte…
     

III
     
    «Alles klar», sagte Armstrong. «Der Mörder hat sich von hinten an ihn herangeschlichen, die Axt geschwungen und ließ sie in einem einzigen Schlag auf seinen Kopf niedersausen, als er sich nach vorne beugte.»
    Blore machte sich am Axtstiel und dem Mehlsieb aus der Küche zu schaffen.
    «Hätte es großer Körperkraft bedurft, Doktor?», fragte Richter Wargrave.
    «Eine Frau könnte es auch getan haben, wenn es das ist, was Sie meinen», antwortete Armstrong und streifte die Runde mit einem raschen Blick. Vera Claythorne und Emily Brent hatten sich in die Küche zurückgezogen. «Die junge Frau hätte es mit Leichtigkeit tun können – sie ist ein sportlicher Typ. Miss Brent sieht zwar sehr zierlich aus, aber Frauen wie sie sind oft ziemlich drahtig und stark. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass jemand, der geistig verwirrt ist, oft über ungeahnte Kräfte verfügt.»
    Der Richter nickte nachdenklich.
    Mit einem Seufzer richtete sich Blore wieder auf.
    «Keine Fingerabdrücke. Der Griff ist nach der Tat abgewischt worden.»
    Plötzlich ertönte Gelächter. Sie drehten sich schnell um. Vera Claythorne stand im Hof. Von wilden Lachsalven geschüttelt, rief sie mit hoher, schriller Stimme:
    «Züchtet wer auf dieser Insel Bienen? Das soll mir einer sagen! Wo bekommen wir den Honig her? Ha! Ha!»
    Alle starrten sie verständnislos an. Es war, als wäre diese vernünftige und beherrschte junge Frau vor ihrer aller Augen verrückt geworden. Mit der gleichen unnatürlichen Stimme fuhr sie fort:
    «Starrt mich nicht so an! Als ob ihr denkt, ich hätte den Verstand verloren. Was ich sage, ist das Normalste von der Welt. Bienen, Bienenstöcke, Bienen! Ja, versteht ihr denn nicht? Habt ihr nicht diese idiotischen Verse gelesen? Die hängen in euren Zimmern, damit ihr sie lesen könnt! Wenn wir überlegt hätten, wären wir gleich hierher gekommen. Sieben kleine Negerlein, die holzten wie der Specht. Und der nächste Vers. Ich kann sie inzwischen alle auswendig! Sechs kleine Negerlein, die liefen ohne Strümpf. Eines stach die Biene tot… Deswegen frage ich – gibt es auf dieser Insel Bienen? – Ist das nicht komisch? Ist das nichts verdammt komisch?»
    Wieder brach sie in wildes Gelächter aus. Dr. Armstrong trat auf sie zu. Er hob die Hand und gab ihr eine Ohrfeige.
    Sie japste, gluckste und schluckte. Eine Minute lang stand sie reglos da. Dann sagte sie: «Danke… mir geht’s schon besser.»
    Ihre Stimme klang wieder ruhig und kontrolliert – die Stimme einer tüchtigen Sportlehrerin.
    Sie ging über den Hof zurück in die Küche.
    Plötzlich wandte sie sich um. «Miss Brent und ich werden jetzt für alle Frühstück machen», sagte sie. «Könnten Sie bitte

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