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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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getan, für das sie sich schämen müsste… Und deshalb würde sie natürlich auch nicht sterben…
    «Der Herr kümmert sich um die Seinen. Du sollst dich nicht fürchten vor dem Schrecken der Nacht, noch vor dem Pfeil, der am Tage fliegt…» Jetzt war es Tag – es gab keinen Schrecken. Keiner von uns wird diese Insel verlassen. Wer hatte das gesagt? Natürlich, es war General MacArthur gewesen, dessen Cousin Elsie MacPherson geheiratet hatte. Ihm schien das nichts auszumachen. Im Gegenteil, es sah ganz so aus, als würde er diese Vorstellung begrüßen! Schlimm! Beinahe eine Sünde, so zu empfinden. Manche Leute hatten so wenig Respekt vor dem Tod, dass sie sich tatsächlich selbst das Leben nahmen. Beatrice Taylor vergangene Nacht hatte sie von Beatrice geträumt – hatte geträumt, dass sie draußen war, ihr Gesicht gegen die Fensterscheibe gepresst und gestöhnt und gefleht hatte, hereingelassen zu werden. Emily Brent hatte sie nicht hereinlassen wollen, denn wenn sie es tat, würde etwas Schreckliches geschehen…
    Mit einem Ruck kam Emily zu sich. Vera sah sie so sonderbar an.
    Energisch ergriff sie das Wort: «Alles fertig, meine Liebe. Jetzt tragen wir das Frühstück hinein.»
     

VI
     
    Beim Frühstück herrschte eine seltsame Stimmung. Alle waren ausgesprochen höflich.
    «Darf ich Ihnen noch Kaffee nachschenken, Miss Brent?»
    «Miss Claythorne, eine Scheibe Schinken?»
    «Noch etwas Toast?»
    Sechs Personen, alle äußerlich gefasst und ganz normal.
    Aber wie sah es in ihrem Inneren aus? Ihre Gedanken jagten in ihren Köpfen herum wie Eichhörnchen im Käfig…
    «Was passiert als Nächstes? Was kommt jetzt? Wer? Was?»
    «Würde es klappen? Ich weiß nicht recht. Einen Versuch ist es wert. Wenn genug Zeit bleibt. Mein Gott, wenn genug Zeit bleibt…»
    «Religiöser Wahn, das ist der Schlüssel… Obwohl – wenn man sie so anschaut, kann man kaum glauben… angenommen, ich irre mich…»
    «Es ist verrückt – alles ist verrückt. Ich werde verrückt. Wolle, die verschwindet – ein roter Vorhang –, es ergibt alles keinen Sinn… Ich kann mir keinen Reim darauf machen…»
    «Der blöde Idiot hat alles geglaubt, was ich ihm erzählt habe. Es war so einfach… aber ich muss vorsichtig sein, wirklich sehr vorsichtig.»
    «Sechs von diesen kleinen Porzellanfiguren… nur noch sechs – wie viele werden es heute Abend noch sein?»
    «Wer möchte das letzte Ei?»
    «Konfitüre?»
    «Danke, kann ich Ihnen ein Brot abschneiden?»
    Sechs Personen, die ganz normal zusammen frühstückten…

Zwölftes Kapitel

I
     
    D as Frühstück war vorüber.
    Richter Wargrave räusperte sich und sagte mit leiser, aber gebieterischer Stimme:
    «Ich glaube, es wäre ratsam, dass wir uns zusammensetzen und die Lage besprechen. Sollen wir sagen, in einer halben Stunde im Salon?»
    Alle murmelten Zustimmung.
    Vera begann die Teller zusammenzustellen und sagte: «Ich decke den Tisch ab und mache den Abwasch.»
    «Wir bringen Ihnen die Sachen in die Spülküche», bot Philip Lombard an.
    «Danke.»
    Emily Brent, die gerade aufstehen wollte, setzte sich wieder.
    «Ach herrje», sagte sie.
    «Ist etwas, Miss Brent?», fragte der Richter.
    «Es tut mir so Leid», entschuldigte Emily sich, «ich würde Miss Claythorne gerne helfen. Ich weiß nicht wieso, aber ich fühle mich etwas schwindlig.»
    «Schwindlig?» Dr. Armstrong trat zu ihr. «Durchaus natürlich. Verzögerter Schock. Ich kann Ihnen etwas geben, das…»
    «Nein!»
    Das Wort explodierte wie eine Granate auf ihren Lippen.
    Jeder war entsetzt. Dr. Armstrongs Gesicht lief flammend rot an. Die Angst und das Misstrauen in ihrem Blick waren nicht zu übersehen.
    «Wie Sie wünschen, Miss Brent», sagte er steif.
    «Ich wünsche nichts einzunehmen», wiederholte sie noch einmal. «Absolut nichts. Ich werde ruhig hier sitzen bleiben, bis der Schwindelanfall wieder vorüber ist.»
    Sie räumten weiter zusammen den Frühstückstisch ab.
    «Ich bin ein häuslicher Typ», sagte Blore. «Ich helfe Ihnen gern, Miss Claythorne.»
    «Ich danke Ihnen», antwortete Vera.
    Emily Brent blieb allein im Esszimmer sitzen.
    Eine Weile drang schwaches Stimmengemurmel aus der Spülküche zu ihr herüber.
    Das Schwindelgefühl legte sich. Jetzt fühlte sie sich schläfrig, so, als könnte sie jeden Moment einnicken.
    In ihren Ohren summte es – oder war das Summen im Zimmer?
    «Klingt wie eine Biene – eine Hummel vielleicht», dachte sie.
    Jetzt sah sie die Biene. Sie krabbelte

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