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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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gerade die Fensterscheibe hoch.
    Vera Claythorne hatte heute Morgen über Bienen geredet. Bienen und Honig…
    Sie mochte Honig, Honig aus der Wabe, den man selbst durch ein Musselintuch filterte. Tropf, tropf, tropf…
    Da war jemand im Zimmer… jemand, der nass war und tropfte… Beatrice Taylor kam aus dem Fluss…
    Sie brauchte ihren Kopf nur umdrehen, dann würde sie sie sehen. Aber sie konnte ihren Kopf nicht bewegen…
    Sollte sie um Hilfe rufen… Aber sie konnte nicht rufen…
    Es war niemand sonst im Haus. Sie war allein…
    Sie hörte Schritte – leichte, schleppende Schritte, die von hinten auf sie zukamen. Die stolpernden Schritte des ertrunkenen Mädchens…
    Ein nasser, modriger Geruch stieg ihr in die Nase…
    An der Fensterscheibe summte die Biene – brummte…
    Dann fühlte sie den Stich.
    Den Bienenstich an der Seite ihres Halses…
     

II
     
    Im Salon warteten alle auf Emily Brent.
    «Soll ich sie holen?», bot Vera sich an.
    «Einen Augenblick noch», bat Blore.
    Vera setzte sich wieder. Jeder sah fragend zu Blore.
    «Alle mal herhören», trompetete er. «Ich bin der Meinung, wir brauchen nicht weiter nach unserem Mörder zu suchen, wir finden ihn im Esszimmer nebenan. Ich schwöre jeden Eid, dass die Frau der Täter ist, den wir suchen.»
    «Und das Motiv?», fragte Armstrong.
    «Religiöser Wahn. Was sagen Sie dazu, Doktor?»
    «Gut möglich. Dagegen kann ich nichts vorbringen. Aber wir haben natürlich keine Beweise.»
    «Sie war sehr sonderbar in der Küche, als wir das Frühstück machten. Ihre Augen… », erinnerte sich Vera schaudernd.
    «Das beweist gar nichts», warnte Lombard. «Wir sind doch alle inzwischen etwas durcheinander!»
    «Da ist noch was», schnaubte Blore. «Sie ist die Einzige, die nach dem Abspielen der Schallplatte keine Erklärung gegeben hat. Warum wohl? Weil sie nichts zu erklären hatte.»
    Vera rutschte unruhig in ihrem Sessel hin und her.
    «Das stimmt nicht ganz. Sie hat mir alles erzählt – nachher.»
    «Was hat sie Ihnen erzählt, Miss Claythorne?», fragte Wargrave.
    Vera wiederholte die Geschichte von Beatrice Taylor.
    «Eine vollkommen glaubwürdige Geschichte», stellte Richter Wargrave fest. «Ich persönlich hätte damit keinerlei Probleme. Sagen Sie, Miss Claythorne, sah es so aus, als würde sie wegen ihres Verhaltens von Schuldgefühlen oder Gewissensbissen geplagt?»
    «In keinster Weise», berichtete Vera. «Sie war völlig ungerührt.»
    «Herzen, hart wie Granit», schimpfte Blore. «Diese selbstgerechten alten Jungfern! Nichts als Neid!»
    «Es ist jetzt fünf vor elf», sagte Richter Wargrave. «Ich finde, wir sollten Miss Brent auffordern, an unserer Sitzung teilzunehmen.»
    «Werden Sie denn nichts unternehmen?», fragte Blore.
    «Ich sehe nicht recht, was wir tun könnten. Unser Verdacht ist augenblicklich nur ein Verdacht. Ich werde aber Dr. Armstrong bitten, Miss Brents Benehmen sehr sorgfältig zu beobachten. Lassen Sie uns jetzt ins Esszimmer gehen.»
    Sie fanden Emily Brent in dem Sessel sitzend, in dem sie sie zurückgelassen hatten. Von hinten sahen sie nichts Verdächtiges, außer dass sie ihr Hereinkommen nicht zu bemerken schien.
    Dann sahen sie ihr Gesicht… Es war blutunterlaufen, mit blauen Lippen und starren Augen.
    «Mein Gott, sie ist tot!», rief Blore.
     

III
     
    Richter Wargrave sprach mit leiser, ruhiger Stimme:
    «Und wieder wurde einer von uns freigesprochen – leider zu spät!»
    Armstrong stand über die Tote gebeugt. Er roch an ihren Lippen, schüttelte den Kopf, spähte in die Augenlider.
    «Wie ist sie gestorben, Doktor?», fragte Blore. «Sie war völlig in Ordnung, als wir sie verlassen haben!»
    Gebannt starrte Armstrong auf das Mal auf ihrer rechten Halsseite.
    «Das ist der Einstich einer Spritze», erklärte er.
    Vom Fenster kam ein brummendes Geräusch.
    «Da – eine Biene», rief Vera laut. «Eine Biene. Was habe ich heute Morgen gesagt!»
    «Die Biene hat sie nicht gestochen!», sagte Armstrong grimmig. «Ein Mensch hat die Spritze in der Hand gehalten.»
    «Welches Gift wurde injiziert?», fragte der Richter.
    «Ich vermute, eines der Zyanide. Vermutlich Zyankali, genau wie bei Anthony Marston», erläuterte Armstrong. «Sie muss innerhalb von Sekunden gestorben sein – erstickt.»
    «Aber was ist mit der Biene?», rief Vera laut. «Das kann doch kein Zufall sein?»
    «O nein, das ist kein Zufall!», gab Armstrong ihr grimmig Recht. «Es ist die Vorliebe unseres Mörders für das Besondere!

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