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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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von uns…»
    Drei Worte, die sich, endlos wiederholt, Stunde um Stunde tiefer in ihre aufgewühlten Gemüter hineinfraßen.
    Fünf Menschen – fünf verschreckte Menschen, die sich gegenseitig belauerten und sich jetzt kaum noch bemühten, den Zustand ihrer überreizten Nerven voreinander zu verbergen.
    Man spielte sich nichts mehr vor – auf oberflächliche Konversation wurde verzichtet. Aus ihnen waren fünf Feinde geworden, einzig durch den gemeinsamen Trieb zur Selbsterhaltung aneinander gekettet.
    Und alle sahen sie plötzlich immer weniger wie menschliche Wesen aus. Ihre animalischen Züge traten wieder stärker hervor. Wie eine misstrauische alte Schildkröte saß Richter Wargrave in sich verkrochen da, der Körper bewegungslos, die Augen scharf und lauernd. Exinspektor Blore wirkte wuchtiger und unbeholfener. Sein Gang glich dem Trott eines langsamen, schwergewichtigen Tieres. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er strahlte Brutalität und Dummheit aus. Blore glich einem in die Enge getriebenen Tier, das jederzeit auf seine Verfolger losgehen kann. Philip Lombards Sinne waren eher noch schärfer geworden. Seine Ohren reagierten auf das kleinste Geräusch, sein Gang war leichter und schneller, sein Körper elastisch und anmutig. Er lächelte häufig, und dabei legten seine Lippen lange, weiße Zähne frei.
    Vera Claythorne war sehr still. Die meiste Zeit saß sie zusammengekauert in einem Sessel. Ihre Augen starrten ins Leere. Sie war wie betäubt. Sie glich einem Vogel, der gegen eine Glasscheibe geflogen und von einer menschlichen Hand aufgehoben worden war. Starr vor Angst saß sie jetzt da, unfähig, sich zu rühren, darauf vertrauend, dass alles gut ausgehen würde, wenn sie sich nur nicht bewegte.
    Armstrongs Nerven waren in desolatem Zustand. Immer wieder zuckte er zusammen, und seine Hände zitterten. Er zündete eine Zigarette nach der anderen an und drückte sie sofort wieder aus. Die Untätigkeit, zu der sie in ihrer Lage verdammt waren, schien ihn noch mehr als die anderen zu quälen. Von Zeit zu Zeit brach ein nervöser Redeschwall aus ihm hervor.
    «Wir – wir sollten hier nicht tatenlos herumsitzen! Es muss doch irgendetwas geben – bestimmt gibt es doch irgendetwas, das wir tun können? Warum zünden wir nicht ein Feuer an?»
    «Bei diesem Wetter?», knurrte Blore.
    Es regnete wieder in Strömen. Der Sturm heulte in wilden Böen. Das deprimierende Geräusch des niederprasselnden Regens ließ sie fast wahnsinnig werden.
    Stillschweigend hatten sie sich auf eine gemeinsame Strategie geeinigt. Sie saßen alle im großen Salon. Nur jeweils einer allein durfte den Raum verlassen. Die anderen vier warteten dann, bis der Fünfte wieder zurückkam.
    «Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich das Wetter wieder beruhigt», sagte Lombard. «Dann können wir etwas unternehmen – Zeichen geben – einen Scheiterhaufen entzünden – ein Floß bauen – irgendwas!»
    Armstrong brach in meckerndes Gelächter aus.
    «Nur eine Frage der Zeit – der Zeit! Zeit können wir uns nicht leisten! Wir werden bald alle tot sein…»
    Mit seiner leisen und klaren Stimme, aus der leidenschaftliche Entschlossenheit sprach, sagte Richter Wargrave: «Nicht, wenn wir vorsichtig sind. Wir müssen vorsichtig sein…»
    Das Mittagessen war pflichtbewusst verspeist worden – aber auf Förmlichkeiten wurde gänzlich verzichtet. Alle fünf waren in die Küche gegangen. In der Speisekammer hatten sie einen beträchtlichen Vorrat an Konserven gefunden. Sie hatten eine Dose Zunge und zwei Dosen Obst aufgemacht und im Stehen am Küchentisch gegessen. Danach waren sie wieder gemeinsam zurück in den Salon gegangen, um wieder dazusitzen und sich gegenseitig zu belauern.
    Und langsam wurden die Gedanken, die ihnen durch den Kopf jagten, abwegig, fiebrig, krank…
    «Es ist Armstrong… ich hab genau gesehen, wie er mich gerade schräg von der Seite angeguckt hat… in seinen Augen steht der Irrsinn… kompletter Irrsinn… Vielleicht ist er gar kein Arzt… Natürlich, das ist es! Er ist ein Verrückter, aus einer Anstalt entsprungen und tut jetzt so, als wär er Arzt… das ist die Wahrheit… soll ich das den anderen sagen?… Es he rausschreien?… Nein, er wäre nur gewarnt… Außerdem wirkt er so verdammt normal… wie spät ist es?… Erst Viertel nach drei!… O Gott, ich werde selbst noch verrückt… Ja, es ist Armstrong!… Gerade jetzt beobachtet er mich…»
    «Mich werden sie nicht kriegen! Ich kann auf mich

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