Und dann kam Paulette (German Edition)
wieder hineingehen, droht das Süßkartoffelgratin zu verbrennen. Er redet noch ein wenig um den heißen Brei herum, bevor er ihr erzählt, was Guy und er sich überlegt haben. Sie ist gekränkt, es ärgert sie, dass sie den Braten nicht gerochen hat. Aber sie kann nicht leugnen, dass sie beim Gedanken an alles, was auf sie zukommt, seit einiger Zeit schlecht schläft. Mit etwas Hilfe würde es besser gehen, ganz klar. Schweigend laufen sie nebeneinanderher. Kurz bevor sie hineingehen, will sie sich bedanken, sie dreht sich zu ihm um, lächelt ihn an und küsst ihn … auf die Wange. Eigentlich wollte sie ihn auf den Mund küssen, doch macht sie in letzter Sekunde einen Rückzieher. Das nächste Mal vielleicht. Może , da würde sie es wagen. Nein: Ganz sicher würde sie es das nächste Mal wagen! All ihr Zögern wird sonst lächerlich, sie sind ja keine Teenager mehr.
Das war’s.
So liefen die Dinge ab, als Kim auf den Hof kam.
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Kim, der Wirbelsturm
Kim hatte es mit seinem Einzug so eilig, dass er am selben Abend noch mit Muriel verhandelte, ob er auf einem Feldbett in ihrer Küche schlafen dürfte, bis das Zimmer im oberen Stockwerk geschrubbt und gestrichen war. Sie willigte ein, auch wenn sie anfangs daran zweifelte, dass es eine gute Idee war, ihr Refugium zu teilen. Sie wäre gezwungen, sich etwas anzuziehen, bevor sie zur Toilette ging, auf Zehenspitzen zu laufen, wenn sie nachts zum Kühlschrank schlich, dabei dürfte sie nicht einfach das Licht anmachen, und ihre Pupse müsste sie auch unterdrücken. Sie hatte gerade Gefallen an ihrer Wohnsituation gefunden und würde es bestimmt bereuen, wenn sie jetzt ja sagte. Doch sehr rasch änderte sie ihre Meinung. Weil es wirklich Spaß macht, bis nachts um drei zu quasseln, sich zu zweit die Bäuche zu halten vor Lachen, Kissenschlachten zu machen oder sich persönliche Dinge zu erzählen, vielleicht sogar das eine oder andere Geheimnis. So lösten sich all die potenziellen Probleme kurzerhand in Luft auf. Sie zog es zum Beispiel vor, abends zu duschen, er morgens. Wunderbar. Sie konnte oft nicht schlafen, er pennte überall und zu jeder Zeit. Folglich war es ihre Aufgabe, nachts den Ofen am Laufen zu halten. Perfekt. Sie hatte Mühe aufzuwachen, er hingegen – war er erst einmal aus dem Bett – legte sofort los, kochte Kaffee, schmierte Brote und kitzelte sie am Hals. Genial. Die Fahrt mit dem Fahrrad zur Schule war für sie zu dieser Jahreszeit der Horror, denn frühmorgens war es noch dunkel, doch zu zweit machte es großen Spaß. Cool. Er hatte eine Freundin, sie war Single und hatte auch vor, es zu bleiben, vor allem seit dem Fiasko mit ihrem letzten Lover. Sie würden daher wie Bruder und Schwester miteinander leben. Ideal.
Kim, der Wirbelwind. Er kam an einem Dienstagabend. Am Mittwochmorgen schrubbte er sein künftiges Zimmer von oben bis unten, am Nachmittag rührte er Farbe an (mit Kartoffelpüree nach Marcelines Rezept), und am Abend trug er die erste Schicht auf. Am Donnerstag, als er aus der Schule kam, folgte die zweite Schicht, am Freitagabend zog er ein.
Alles war perfekt. Es gab nur ein kleines Problem: Das Internet, das fehlte sehr. Also setzte er sich dafür ein. Die Kultur, die Erde, die ganze Menschheit waren in Reichweite. Warum sich dem Fortschritt verschließen? Es war total idiotisch, es nicht zu nutzen. Er und Muriel konnten den Alten beibringen, wie man im Web surft, wie man eine Maus bedient, Infos heraussucht, zu zahlreichen Themen interessante Seiten findet, zum Gartenbau, zur Automechanik, zum Radsport, zu Delphinen und Walen, zum Stricken und Spinnen, es gab keinerlei Grenzen. Sie könnten Museen besichtigen, ohne sich dabei vom Sessel zu erheben, Philharmonie-Orchestern lauschen, durch die ganze Welt reisen, das Tadsch Mahal besichtigen! Sie würden es lieben.
Guy hatte sich erkundigt. Im Vergleich zu dem, was sie bisher bezahlten, käme sie ein Pauschalangebot nicht viel teurer: Fernsehen-Internet-Telefon. Er hatte sich auch die Computerpreise angesehen. Angesichts ihrer bisherigen Ersparnisse konnten sie sich locker einen leisten. Und auch die Lulus wären glücklich, fügte er hinzu. Also stimmten alle dafür. Und Muriel machte vor Freude einen Luftsprung.
Hortense ist ganz aufgeregt, sie will so gern im Web surfen! Einer Maus auf dem Rücken herumklicken! Ein Fäßbuck-Profil anlegen! Sie liebt ihre zwei neuen Freunde, vor allem den jungen Mann findet sie witzig, interessant und
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