Und dann kam Paulette (German Edition)
Marktplatz auf ihn trinken. Momo, Marcel, Raymond, Pierrot, die ganze Clique.
Es ist jetzt etwas mehr als ein Jahr her, seit Alfred sich verabschiedet hat, der arme Kerl.
Kunstschmied Alfred
War ein guter Vater
Ein guter Gatte
Er ließ nichts anbrennen
Und hat sein Feuer gern mit
Einem guten Glas gelöscht.
Das klingt nicht schlecht, angemessen.
Jacqueline dürfte auch nicht beleidigt sein, schließlich hat sie die Scheidung gewollt.
Und die Kinder können gern noch etwas hinzufügen, wenn sie wollen, er hat ihnen unten Platz gelassen.
Dann gräbt er ein weiteres Schild aus, wischt den Staub ab und liest.
Für Henriette, meine Frau
Du hast mir vierzig Jahre lang
Das Leben versaut.
Jetzt sollst du ruhen.
Den Text findet er witzig. Aber er räumt das Schild in eine Schublade. Heute kann er es auf keinen Fall mitnehmen, Roland würde es nicht gefallen. Er hat nicht genug Abstand, sein Sohn. Schade, aber so ist es nun mal.
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60
Die Kraniche
Es ist nach wie vor sehr kalt. Morgens ist der Boden weiß gefroren. Aber die Luft und das Licht haben eine andere Qualität. Alles ist klarer, markanter, die Tage werden allmählich länger. Und die Kraniche kehren zurück. Ein gutes Zeichen. Muriel steht am Fenster und schildert Hortense, was sie sieht. Gerade fliegen sie über den Hof, mehrere große Vs, alle schreien gleichzeitig, manche ziehen Kreise über unserem Haus, es sieht fast so aus, als hätten sie sich verirrt. Nein, doch nicht, jetzt übernimmt einer die Führung, die anderen folgen ihm. Hortense möchte sie gern sehen. Aber Muriel kann sie nicht allein aus dem Bett heben, das weiß sie genau. Trotzdem haucht Hortense ihr Bitte, Muriel zu. Muriel zögert, es ist keine gute Idee, außerdem ist es ziemlich aufwendig, sie muss alles abhängen: die Infusion und auch den Sauerstoff. Doch Hortense bittet sie inständig, und Muriel trifft eine Entscheidung. Mann, ist doch scheißegal, sie öffnet das Fenster und ruft Kim. Zu zweit schaffen sie es, Hortense in den Rollstuhl zu hieven, sie wickeln sie in ihr Federbett und ziehen ihr eine Wollmütze auf den Kopf. Schnell, sonst sind die Kraniche weg! Kim warnt sie: Festhalten, Hortense, jetzt geht’s rund. Auf die Plätze, fertig, los. Er saust mit dem Rollstuhl über den Flur, umkurvt auf zwei Rädern den Küchentisch, trifft mit Mühe die Türöffnung und steht mit Hortense im Hof. Ah! Da sind sie! Hunderte! So viele hat sie noch nie gesehen. Hortense ruft ihnen zu: Wo wart ihr nur die ganze Zeit? Ich habe auf euch gewartet, wisst ihr … Sie fliegen über ihrem Kopf davon. Gurrruu … Gurrruu … Gurrruu … Tränen laufen ihr über die Wangen. Es ist bestimmt die Kälte. Und der viel zu gleißend helle Himmel. Ihr brennen die Augen, sie muss blinzeln. Jetzt sollten sie wieder hineingehen. Ach nein, noch nicht. Sie würde gern noch draußen bleiben, bis die Letzten verschwunden sind. Die Nachzügler, die muss man anfeuern. Mit schwacher Stimme ruft sie zum Himmel: Macht euch keine Sorgen, meine Lieben, fliegt nur immer weiter, die anderen sind nicht weit, die holt ihr noch ein …
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61
Simone kommt mit Geld
Guy fährt Simone mit dem Auto in die Stadt, sie hat einen Termin bei ihrem Bankberater. Vor zwei Wochen hat sie beim Notar den Kaufvertrag für das Haus unterschrieben. Es hat keinerlei Gefühle in ihr ausgelöst. Sie war weder traurig noch glücklich. Allerdings hatte sie nun ein großes Problem am Hals: Was sollten Hortense und sie mit dem vielen Geld anfangen? Ihr Bankberater hatte jede Menge Ideen, schon klar. Aber sie brauchte Zeit zum Nachdenken, um eine Entscheidung zu fällen. Eile ist ein schlechter Ratgeber. Daher wäre es das Beste, wenn sie das Geld bar ausgehändigt bekäme und es mit nach Hause nehmen könnte. Er machte große Augen. Am liebsten in kleinen Scheinen. Jetzt war er vollends verwirrt. Auf die Schnelle fiel ihm nichts anderes ein als dass er sich erkundigen müsse, die Sache sei nicht so einfach, und außerdem würde es dauern. Wie lange, wollte sie wissen. Zwei Wochen, war die Antwort. Das sei kein Problem, meinte sie. Jetzt sind die vierzehn Tage vorüber, und sie hat einen Termin. Guy begleitet sie. Der Bankberater ist äußerst zuvorkommend, hilft ihr, sich zu setzen, erkundigt sich nach ihrem Befinden und nach Hortense. Simone ist misstrauisch. Er versucht, sie für sich einzunehmen, bietet ihr einen Kaffee an. Um ihn zu ärgern, nimmt sie das Angebot an. Und drei Zuckerwürfel,
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