Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dann kusste er mich

Und dann kusste er mich

Titel: Und dann kusste er mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
Vom Netzwerk:
sah er dadurch den ziemlich großen und spitzen Felsbrocken, der plötzlich in seinem Weg lag, erst dann, als es bereits zu spät war. Sein Vorderrad prallte gegen den Fels, worauf Charlie über den Lenker fiel, auf dem Hinterteil landete und den sandigen Weg mehrere Meter entlangschlitterte. Der Anblick war so komisch, dass ich mich vor Lachen ausschüttete und meinen Sieg schon als gesichert ansah.
    Aber dummerweise ragte da immer noch der Felsbrocken empor, den ich in meinem Siegestaumel vergessen hatte und gegen den nun mein Vorderrad knallte. Nach einer kurzen Flugreise fand ich mich ebenfalls auf dem Boden wieder, direkt neben Charlie, der sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegte. Ich prustete gleichfalls los, und für eine Weile war nur unser beider brüllendes Gelächter zu hören.
    Nachdem wir uns wieder etwas beruhigt hatten, rappelte sich Charlie hoch und streckte mir die Hand entgegen: »Bist du okay?«
    Ich überprüfte kurz meinen körperlichen Zustand, doch abgesehen von einem unglaublich schmutzigen Hinterteil und einem Kratzer am Oberschenkel schien ich den Sturz unbeschadet überstanden zu haben. »Ja, alles noch dran. Und du?«
    »Nicht der Rede wert.« Mit einem reuevollen Lächeln ließ er sich am Wegesrand auf der grünen farnbewachsenen Böschung nieder.
    Amüsiert warf ich mich neben ihn und zupfte ein welkes Blatt von meinem Schnürsenkel. Der uns umgebende Wald mit seinen hohen, majestätischen Bäumen und dem üppigen Pflanzenreich war von atemberaubender Schönheit und erstreckte sich nach allen Seiten, so weit das Auge reichte.
    »Obwohl ich schon so oft hier war, bin ich jedes Mal aufs Neue begeistert«, sagte Charlie, den Blick auf zwei krächzende Krähen gerichtet, die sich in den Ästen einer Kiefer um ihr Territorium zankten. Er wandte sich mir zu: »Das hört sich wahrscheinlich ziemlich blöd an.«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich finde, du solltest zu deinen Gefühlen stehen und kannst stolz darauf sein.«
    »Wie du mit deiner Suche?«
    Das kam total unerwartet. Ich blinzelte überrascht. »Ja, irgendwie schon. Ich bin sehr dafür, dass man seine Gefühle ausdrückt, ganz egal, worum es geht.« Von einer plötzlichen Befangenheit ergriffen, fügte ich hinzu: »Mir tut das jedenfalls gut.«
    Er sah mich mit seinen blauen Augen an: »Es ist eine gute Sache. Der Typ hat echt Glück, dass sich jemand wie du auf die Suche nach ihm macht.«
    Sein intensiver Blick verunsicherte mich. Ich schlug die Augen nieder. »Hm. Ich weiß ja nicht einmal, ob er sich überhaupt noch an mich erinnert.«
    »Wenn nicht, ist er ein Idiot. Wie auch immer, es ist gut, dass du über deinen Blog so viel Unterstützung erhältst.« Er hielt einen Moment inne. »Ich unterstütze dich auch. Ich hoffe, das weißt du.«
    Verlegen sah ich ihn an: »Danke. Das bedeutet mir sehr viel.«
    Ein sanftes Lächeln erhellte seine Züge. »Auch wenn du den halben Wald im Gesicht kleben hast.« Mit ungeschickten Bewegungen wischte er mir den Schmutz von der Wange und sah mir dabei unentwegt in die Augen. Mein Atem ging etwas schneller, als seine Finger auf der Kontur meines Wangenknochens verweilten, und ich beobachtete, wie sich sein Brustkorb im selben Takt wie meiner hob und senkte. Plötzlich war der ganze Wald von knisternder Elektrizität erfüllt, und eine unsichtbare Kraft zog uns zueinander hin, immer näher und näher …
    »Faulenzer!«
    Toms Ruf zerstörte den Zauber dieses Augenblicks. Er schrocken über die Störung wichen wir voreinander zurück. Tom bremste mit seinem Fahrrad neben uns ab, Erde und Laub spritzten auf.
    »Los, Charlie-Boy, auch wenn du nicht mit D’Wayne und mir fährst, erwarten wir, dass du deinen ausgezeichneten Streckenrekord einhältst.«
    Ein lauter Schrei ertönte, und als wir uns umdrehten, sahen wir, wie D’Wayne den heimtückischen Felsbrocken mit Bravour übersprang und gleich darauf neben Tom anhielt. »Was ist denn mit euch los? Das ist schon unsere zweite Runde, und ihr habt noch nicht einmal eine geschafft!«
    »Die werden langsam alt«, höhnte Tom, ehe er aufs Rad stieg und seinen Helm zurechtrückte. Das konnte Charlie nicht auf sich sitzen lassen. Er sprang auf und schnappte sich sein Rad.
    »Ich werd dir zeigen, wer hier alt ist, du Großmaul!« Bevor er losfuhr, grinste er mich noch einmal an: »Wir sehen uns später, okay?«
    Immer noch geschockt von dem, was vielleicht oder vielleicht auch nicht passiert wäre, brachte ich nur ein krächzendes »Cool« hervor.
    Tom

Weitere Kostenlose Bücher