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und das Goldene Dreieck

und das Goldene Dreieck

Titel: und das Goldene Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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wollte, daß ein Geist die Matte mit ihm teilte.
    Sie war sehr müde gewesen, als sie sich schlafen gelegt hatte, und jetzt war sie nicht sicher, ob es die nächtlichen Geräusche des Dschungels gewesen waren, die sie geweckt hatten, oder der dumpfe Schmerz in ihren Beinen von dem langen Marsch, oder ob es an dem kargen Abendessen lag, das aus einer Brühe mit ein paar Nudeln und wenigen Stückchen Hühnerfleisch und einer Schale Reis bestanden hatte. Den Acharya hatte sie nicht mehr wiedergesehen. Es gab hier offenbar fünf Novizen, von denen zwei das Essen zubereitet und ihnen gebracht und sich sogleich zurückgezogen hatten.
    Sie dachte: Es hat doch keinen Sinn, herumzuliegen und mir den Kopf zu zerbrechen, weshalb ich wach bin - ich bin wach! Sie kroch zu Mornajay und legte eine Hand auf seine Stirn. Sie hoffte, daß seine Temperatur wenigstens ein oder zwei Grad gefallen war. Einen schrecklichen Augenblick lang hielt sie ihn für tot, denn die Stirn war kühl. Hastig fühlte sie seinen Puls - er war gleichmäßig! Sie kauerte sich auf die Fersen und blickte erstaunt auf Mornajay hinunter. Er war fieberfrei! Es gab also noch Wunder. Die Kräuter des Acharyas hatten sich als mächtige Medizin erwiesen; oder vielleicht hatte Bonchoo recht und es war nicht Mornajays Karma, schon zu sterben. Als er plötzlich laut zu schnarchen anfing, verging ihr fast ehrfürchtiges Staunen. Lächelnd überließ sie ihn seinem Schlaf, schlüpfte in ihre Schuhe und schlich auf Zehenspitzen an Bonchoo vorbei auf den dunklen Korridor. Sie trat hinaus auf den Außengang und war beeindruckt von der Schönheit des Vollmonds. Wie eine Kugellampe leuchtete er auf die Berge und den Dschungel herab, daß die Umrisse sich wie feine Scherenschnitte vom Nachthimmel abhoben. Sein Schein bildete einen silbrigen Pfad auf dem Außengang, der durch die dunklen Klosterwände um so heller wirkte; er tauchte die gebrochene Spitze des Chedi in fahles Silber und verwandelte den pockennarbigen Garten in eine freundliche Mondlandschaft. Ein Vogel rief aus dem Wald; die Luft war sanft und kühl auf ihrem Gesicht. Im Westen standen die glitzernden Sterne so tief, daß sie glaubte, sie brauch bloß die Hand danach auszustrecken. So stand sie lange im Schwarz und Silber der Nacht und schaute zum Himmel. Nach einem Blick auf die Uhr - es war eins spazierte sie nach links und bog um eine Ecke. Abrupt blieb sie stehen, als sie sah, daß sie nicht allein war. Der Acharya saß im Lotossitz, die Hände auf dem Schoß gefaltet, an einer Stelle des Außenganges, wo die niedrige Brüstung abgebröckelt war, und blickte auf Dschungel, Mond und Himmel. Er war reglos wie die Buddha-Statuen vor dem Garten. Schatten verliehen seinem orangefarbenen Gewand einen tieferen Farbton, während sein Profil im Mondschein klar zu sehen war. Es war scharf geschnitten, kraftvoll, asketisch und erinnerte an jene auf alten römischen Münzen.
    Ohne zu wissen, weshalb, ohne daß sie ihr Benehmen hätte erklären können, ging Mrs. Pollifax leise weiter und setzte sich, ebenfalls im Lotossitz, etwa zehn Schritte hinter ihn und etwas seitlich. Sie schloß die Augen, und fast sogleich wurde sie sich bewußt, daß sie sich wahrhaftig in der Anwesenheit eines heiligen Mannes befand, denn nie zuvor hatte sie je einen solchen Frieden empfunden oder gespürt, daß Liebe und heitere Ruhe in ihr floß - wie jetzt durch ihn. Wieder stand die Zeit still und sie wanderte durch Tiefen, die ihr bisher fremd geblieben waren.
    Doch es endete, als ihr linker Fuß sich über das Gewicht des rechten Beins beschwerte, denn sie hatte mit dem Lotossitz noch Schwierigkeiten. Jedenfalls brachte der Schmerz sie in die Gegenwart zurück. Als sie die Augen öffnete, blickte sie wieder auf das Profil des Acharyas, das sich von den Bäumen jenseits des Außengangs abhob. Er saß unbewegt wie zuvor. Ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr, daß eine Stunde vergangen war: So lange hatte sie ebenfalls reglos hier gesessen. Leise stand sie auf und kehrte zu ihrer Matte zurück. Und nun war ihr Schlaf tief und erholsam; sie erwachte erst wieder, als die Sonne ihr ins Gesicht schien. Sie sah, daß Bonchoo sich gerade über Mornajay beugte.
    »Koon Emily - Mrs. Emily!« flüsterte Bonchoo. »Er schläft, er hat kein Fieber mehr!«
    »Ich weiß«, murmelte sie schläfrig und rieb sich die Augen. »Können Sie jetzt mit dem heiligen Mann wegen des SchanLagers sprechen, Bonchoo? Wir könnten bald aufbrechen. Es ist vermutlich nicht

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