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Und das Leben geht doch weiter

Und das Leben geht doch weiter

Titel: Und das Leben geht doch weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehört hatte, klug genug gewesen, sich innerlich auf solche Fragen vorzubereiten.
    »Ich möchte mich bei ihm bedanken.«
    »Für was?«
    »Er hat mir das Leben gerettet.«
    »Wann und wo?«
    »In dem Schneesturm vor einigen Tagen.«
    »Davon hat er uns gar nichts erzählt.«
    »Sehen Sie, das ist typisch für ihn. Mir hat er nicht einmal Gelegenheit gegeben, mich zu bedanken.«
    »Mögen Sie noch ein Glas Milch?«
    »Sehr gern.«
    »So ist er, ja. Etwas in seinen Augen Selbstverständliches vergißt er. Wir schätzen ihn sehr.«
    Das Einschenken der Milch wiederholte sich. Carolas Durst war aber nun schon so weit gelöscht, daß sie nur noch das halbe Glas austrank.
    »Kann ich ihn sprechen, Frau Anthofer?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?« fragte Carola enttäuscht. Sie dachte, er sei wieder mit den Schiern unterwegs.
    »Weil er nicht da ist.«
    »Wann kommt er zurück?«
    »Hierher?«
    »Ja.«
    »Im nächsten Jahr.«
    Carola brauchte ein Weilchen, bis sie das kapierte.
    »Was sagen Sie?«
    »Im nächsten Jahr kommt er wieder zu uns.«
    Carolas Herz krampfte sich zusammen.
    »Ist er … denn … abgereist?«
    »Ja. Vorgestern. Ganz planmäßig. Sein Urlaub war zu Ende.«
    Carolas Verstand setzte aus.
    »Aber das … das hätte er mir doch sagen müssen.«
    »Sehen Sie«, erklärte die Bäuerin, deren Trostworte völlig fehlgeleitet waren, »das ist wieder typisch für ihn, wie Sie selbst schon sagten. Dadurch ging er Ihrem Dank aus dem Weg. Das paßt genau zu ihm.«
    »Ja«, meinte Carola tonlos.
    »Was haben Sie denn? Sie sind ja plötzlich so blaß.«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ist es die Hitze hier drinnen. Der Herd glüht ja.«
    »Das brauche ich. Die Kocherei muß bei uns schnell gehen. Auf dem Hof wartet noch andere Arbeit auf mich.«
    Carola erhob sich und fragte, was sie für die Milch schuldig sei.
    »Nichts, die schenke ich Ihnen für Gottes Lohn«, antwortete Maria Anthofer. »Aber möchten Sie denn schon wieder gehen? Ich rate Ihnen, sich noch ein bißchen auszuruhen.«
    »Nein, danke, Frau Anthofer. Die frische Luft wird mir guttun. Sie waren sehr freundlich zu mir. Ich danke Ihnen. Auf Wiedersehen.«
    Den Rückweg zum Hotel legte Carola wie in Trance zurück, ohne sich darüber klar zu werden, daß ihr eigentlich ständig der körperliche Zusammenbruch drohte. Es wäre ihr wohl auch gleichgültig gewesen, wenn die letzten Kräfte sie verlassen hätten und sie in den Schnee gesunken und erfroren wäre. Im Hotel war Direktor Senden, als er ihrer ansichtig wurde, entsetzt über ihr Aussehen. Sie ließ ihn aber nicht zu Wort kommen, sondern bat ihn, ihr die nächste Verbindung mit der Bahn nach Hamburg herauszusuchen.
    »Für Sie?« wunderte sich Senden.
    »Ja.«
    »Aber …«
    »Ich muß meinen Aufenthalt hier abbrechen«, fiel sie ihm ins Wort. »Es hat sich etwas ereignet, mit dem ich heute morgen noch nicht rechnen konnte.«
    Vierzehn Stunden später stieg sie in Hamburg aus dem D-Zug und fuhr mit dem Taxi nach Hause. Der Taxichauffeur war, als er Carolas Schier sah, von dieser Fuhre nicht besonders angetan. An der Alster ist man nicht so gut wie an der Isar darauf gerichtet, mit dem Transport solcher Utensilien per Auto fertig zu werden.
    Über Carolas vorzeitige Rückkehr aus dem Urlaub wunderten sich ihre Eltern natürlich, und sie fragten nach dem Grund. Ob es ihr denn nicht gefallen habe?
    »Doch.«
    »Aber?«
    »Ich habe mir den Fuß verstaucht, und dann wäre es sinnlos gewesen, nur im Hotel herumzusitzen und teures Geld dafür auszugeben.«
    »Du hinkst aber gar nicht?«
    »Darüber bin ich selbst erstaunt. Während der Bahnfahrt ließen die Schmerzen plötzlich nach. Die hatten im Hotel anscheinend eine Wundersalbe.«
    »Fährst du im nächsten Winter wieder hin?«
    »Nicht mehr an den Eibsee.«
    »Wohin denn?«
    »Weiß ich noch nicht.«
    In den kommenden Wochen verließ Carola ihr Zimmer praktisch nur noch, wenn sie zur Schule ging. Ihre Eltern wunderten sich darüber deshalb nicht besonders, weil sie wußten, daß das Abitur näher kam.

8
    An einem Sonntag im Frühling saß Frau Dr. Gertrud Petersen in ihrem Studierzimmer, um sich auf den Unterricht der kommenden Woche vorzubereiten. Frau Dr. Petersen war Studienprofessorin an einem Mädchengymnasium und Klassenleiterin der Oberprima, in die zusammen mit 22 anderen Mädchen auch Carola Burghardt ging. Sie waren alle strahlend jung, hübsch, intelligent, aber die erste in jeder Beziehung war Carola. Wenn man nach dem Aushängeschild der

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