Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und das Leben geht doch weiter

Und das Leben geht doch weiter

Titel: Und das Leben geht doch weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
bereits zu spät. Carola hatte schon beim vormittäglichen Unterricht gefehlt.
    Die Studienprofessorin sprach mit Carolas Mutter, die ebenfalls Getrud hieß. Paul Burghardt, der Reeder, ging in seiner Firma Geschäften nach, die – wie immer – wichtig waren.
    Frau Dr. Petersen setzte an den Beginn ihres Gespräches mit Frau Burghardt die Mitteilung, daß sie Carola heute im Unterricht vermißt habe. Davon zeigte sich die Reedersgattin leicht überrascht. Verwirrt fragte sie: »Wieso? Ich wüßte nicht, daß meine Tochter krank ist – oder doch?«
    »Was sagte sie denn?«
    »Zu mir? Nichts. Ich habe mit ihr heute noch gar nicht gesprochen.«
    »Ist sie da?«
    »Ich weiß es nicht. Moment …«
    Frau Burghardt bediente sich einer Glocke und läutete nach einem dienstbaren Geist.
    Adele, das Hausmädchen, erschien und wurde angewiesen nachzusehen, ob Carola in ihrem Zimmer sei. Wenn ja, möge sie kommen. Ihre Mutter wünsche sie zu sprechen.
    Adeles Mission war erfolglos. Das Hausmädchen kehrte unverrichteter Dinge zurück. Es teilte mit, das Zimmer leer vorgefunden zu haben, fügte aber etwas irritiert hinzu, daß auf dem Tisch ein Brief läge.
    »Was? Ein Brief?« fragte Frau Burghardt, nun ebenfalls irritiert.
    »Ja, gnädige Frau.«
    »Verschlossen?«
    »Ja, gnädige Frau.«
    »Steht etwas drauf?«
    »Ja, gnädige Frau. ›An meine Eltern‹.«
    Der Ausdruck im Gesicht der Reedersgattin steigerte sich zu völliger Hilflosigkeit. Sie blickte die Studienprofessorin an, die etwas sagen zu wollen schien, aber auch noch nicht die richtigen Worte fand.
    »Was soll denn das bedeuten?« fragte Frau Burghardt schließlich.
    Eine Antwort darauf konnte nur der Brief enthalten. Adele wurde angewiesen, ihn schnellstens herbeizuschaffen.
    Und dann las Frau Gertrud Burghardt den Abschiedsbrief ihrer Tochter.
    »Meine lieben Eltern!
    Ich mußte gehen, mein Inneres zwang mich dazu. Stellt keine Fragen nach dem Warum, forscht nicht nach, wohin ich gegangen bin. Wenn sich meine Sehnsucht erfüllt, werdet Ihr ohnehin wieder von mir hören. Wenn nicht, bitte ich Euch, mir ein gutes Andenken zu bewahren. Anvertrauen konnte ich mich Euch vor meinem Schritt nicht, Dir, lieber Vater, nicht, weil ich wußte, daß Du kein Verständnis für mich aufgebracht hättest, und Dir, liebe Mutter, nicht, weil mich Deine Tränen in meinem Entschluß wieder wankend gemacht hätten. Verzeiht mir, ich suche mein Glück, von dem ich nicht glauben kann, daß es mich für immer verlassen hat.
    Eure Tochter Carola.«
    Frau Burghardt ließ die Hände mit dem Brief sinken. Sie war totenblaß geworden, fühlte sich vernichtet, wußte überhaupt nicht, was sie tun sollte, konnte kaum mehr einen Gedanken fassen. Ihr Instinkt reichte nur noch so weit, daß sie mit einem stummen Wink das Hausmädchen aus dem Zimmer schickte. Familiäre Katastrophen gingen das Personal nichts an. Auch andere Leute nicht.
    Doch Frau Dr. Petersen fragte: »Frau Burghardt, darf ich erfahren, was Ihre Tochter geschrieben hat?«
    Die Reedersgattin raffte sich auf.
    »Warum wollen Sie das wissen?« antwortete sie abweisend.
    »Ihre Tochter war gestern bei mir …«
    »Bei Ihnen?« stieß die schwer geprüfte Mutter hervor.
    »Sie hat mir mitgeteilt, daß sie die Schule verläßt.«
    »Die Schule …« Frau Burghard erstarb die Stimme.
    »Und zwar mit Ihrem Einverständnis.«
    »Mit unserem …« Neuerliches Verstummen.
    »Stimmt das etwa nicht?«
    »Die Schule verläßt? Mit unserem Einverständnis?« wiederholte die Mutter, noch immer völlig konsterniert.
    »Es stimmt also nicht«, stellte Frau Dr. Petersen fest und streckte energisch die Hand aus. »Lassen Sie mich den Brief lesen, Frau Burghardt, ich glaube, das ist besser so.«
    Gebrochen fügte sich Gertrud Burghardt. Nachdem die Studienprofessorin Carolas Zeilen gelesen hatte, sagte sie: »Das paßt zusammen, dieser Brief und der gestrige Zusammenbruch Ihrer Tochter bei mir.«
    »Zusammenbruch?«
    »Was wissen Sie eigentlich von Ihrer Tochter, Frau Burghardt?«
    »Ich denke … alles.«
    »Alles? Dann muß Ihnen ja der Mann bekannt sein, der die Ursache für den entsetzlichen Liebeskummer Ihrer Tochter ist.«
    »Liebeskummer?«
    »Sehen Sie, auch das wissen Sie nicht. Ist Ihnen denn an Carola in den letzten Monaten keine Veränderung aufgefallen?«
    »Nur, daß sie kaum noch ihr Zimmer verließ. Wir dachten aber – mein Mann war derselben Ansicht wie ich –, daran seien die Vorbereitungen auf das Abitur schuld.«
    »Wann

Weitere Kostenlose Bücher