und das Pergament des Todes
verloren habt, alle gegen auch aufgebracht habt und euch selbst nicht mehr leiden könnt.
Und dann, plötzlich, stoßt ihr auf eine Gruppe von Leuten, die ähnliche Probleme haben. Einige von ihnen rülpsen ständig, andere haben eine laufende Nase, und wieder andere furzen andauernd. Sie geben alle nervtötende Geräusche von sich, aber sie leben an einem Ort, wo das wirklich cool ist. Und sie sind alle schwer beeindruckt von eurem Schluckauf.
Eine Weile hängt ihr mit diesen Typen rum, und langsam seid ihr richtig stolz auf euren Schluckauf. Und dann geht ihr an einer Plakatwand vorbei, auf der– zum ersten Mal– erwähnt wird, dass euer Schluckauf wahrscheinlich irgendwann die Welt zerstören wird.
Dann würdet ihr euch, vielleicht, ungefähr so fühlen wie ich damals. Verwirrt, betrogen, verstört. Bereit, in einen seltsamen Kraftring zu treten, um hoffentlich der Person zu begegnen, die diese Plakatwand errichtet hat.
Selbst wenn die Person zufällig tot sein sollte.
Ich schob den Deckel des Sarkophags zur Seite. Er war schwerer, als ich angenommen hatte, und ich musste ihn wegstemmen. Schließlich fiel er polternd zu Boden und wirbelte den goldenen Staub auf.
Im Inneren lag ein Körper, und er war kein bisschen verwest. Er wirkte so lebensecht, dass ich erschrocken zurückwich.
Der Mann in dem Sarkophag rührte sich nicht. Vorsichtig schob ich mich wieder näher heran und musterte ihn. Er schien in den Fünfzigern zu sein und trug sehr antiquiert wirkende Kleidung– eine Art Wickelrock um die Beine und ein weites, fast wie ein Mantel wirkendes Hemd, das die Brust freiließ. Um seine Stirn war ein goldenes Band geschlungen.
Zögerlich pikte ich mit einem Finger in sein Gesicht. (Und tut jetzt bloß nicht so, als hättet ihr das nicht getan.)
Der Mann bewegte sich nicht. Also prüfte ich, vorsichtig und geduckt, ob er einen Puls hatte. Nichts.
Ich trat einen Schritt zurück. Nun, vielleicht habt ihr schon einmal eine Leiche gesehen. Ich hoffe wirklich, dass es nicht so ist, aber wir sollten realistisch bleiben. Menschen sterben nun mal hin und wieder. Das müssen sie– und täten sie es nicht, wären bald alle Bestattungsunternehmer und Friedhofsbetreiber pleite.
Leichen sehen nicht so aus, als wären sie jemals lebende Menschen gewesen. Sie sehen eher so aus, als wären sie aus Wachs– sie wirken nicht wie Menschen, sondern wie Gegenstände.
Diese Leiche war anders. Die Wangen waren noch immer gerötet, das Gesicht surreal, da es so aussah, als werde der Mann jeden Moment zu atmen beginnen.
Wieder sah ich mich nach Bastille und Kaz um. Sie waren noch immer starr, so als stünde bei ihnen die Zeit still. Ich musterte noch einmal den Körper vor mir, und plötzlich hatte ich eine Ahnung, was hier vorgehen könnte.
Ich holte die Übersetzerlinsen aus der Tasche und trat zu dem Deckel des Sarkophags. Darauf stand, in verschnörkelten Buchstaben, ein Name:
Allekatrase, Gebraucher der Linse, erster Träger des Dunklen Talentes.
Um genau zu sein, ließen die Übersetzerlinsen mich wissen, dass der Begriff ›G ebraucher der Linse‹ im Alt-Nalhallischen völlig anders klingen würde. Das alt-nalhallische Wort für ›L inse‹ war ›s maed‹, und das Wort für ›j emand, der etwas benutzt‹ war ›d ary‹.
Allekatrase, Gebraucher der Linse. Allekatrase Smaed-dary.
Alcatraz Smedry der Erste.
Goldener Staub wirbelte um mich herum und verfing sich in meinen Haaren. »D u hast die Zeit zerbrochen, nicht wahr?«, fragte ich den Toten. »K az hat erwähnt, dass es Legenden gibt, nach denen du so etwas getan haben sollst. Du hast dir selbst ein Grab geschaffen, in dem die Zeit nicht vergehen würde, wo du ohne Verfall ruhen kannst.«
Das war die ultimative Einbalsamierungsmethode. Ich persönlich denke ja, dass der ägyptische Brauch, die Könige zu mumifizieren, der Geschichte von Alcatraz Smedry dem Ersten entsprungen ist.
»I ch habe dein Talent«, fuhr ich fort, trat näher an den Sarkophag heran und betrachtete den Mann in seinem Inneren. »W as soll ich damit anfangen? Kann ich es kontrollieren? Oder wird es immer mich kontrollieren?«
Der Tote schwieg. So sind sie. Keinerlei Ahnung von den Regeln der Höflichkeit, diese Leichen.
»H at es dich zerstört?«, fragte ich leise. »H ast du deshalb diese Warnung formuliert?«
Die Leiche, so ruhig. Auf dem Gesicht sammelte sich langsam der Goldstaub. Schließlich seufzte ich nur, kniete mich hin und warf einen Blick auf die Linse in dem
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