Und der Basilisk weinte (German Edition)
hier die Beine in den Leib? Der halbe Wagen ist leer. Setzen wir uns doch einfach hin», polterte der Kommissär wütend, denn sein Platz war besetzt und die alte Dame machte keinerlei Anstalten, das Feld zu räumen. Ganz im Gegenteil. Als er sich ganz nahe neben sie stellte, rollte sie ihm den schwer beladenen Einkaufswagen über den rechten Fuss. Natürlich aus Versehen. Abwarten, wir sehen uns bestimmt wieder. Ich habe vielleicht diese Schlacht verloren, aber noch lange nicht den Krieg …
Nadine und der Kommissär wurden von einer Krankenschwester Mitte oder Ende dreissig ins Wohnzimmer geführt. Der Anwalt sass in einem bequemen Ledersessel und deutete ihnen an, dass sie sich setzen sollten. Gregor Hartmann konnte trotz makelloser Kleidung und gepflegtem Aussehen seine Krankheit nicht verbergen. Eingefallenes, bleiches Gesicht, aus denen ihnen ganz zum Gegensatz dazu messerscharfe, wachsame Augen entgegenblickten.
«Darf ich Ihnen etwas anbieten?» Seine Stimme klang fest und freundlich.
«Einen Kaffee, wenn das nicht zu viele Umstände macht.»
«Das geht allemal. Alice, sei bitte so lieb und bring uns Kaffee. Danke. Und dann bin ich für niemanden zu sprechen, ich möchte mich mit Frau Kupfer und Herrn Ferrari in Ruhe unterhalten.»
Der Kommissär schaute sich um. An den Wänden hingen Werke von Basler Künstlern.
«Ein Peter Baer aus der Anfangszeit.»
«Sie kennen sich mit Kunst aus, Herr Kommissär?»
«Ein wenig. Ich ermittelte mal in der Kunstszene. Da habe ich das eine oder andere mitbekommen. Vor diesem Fall war ich ein absoluter Kunstmuffel. Der Lenz Klotz dort überm Kamin gefällt mir sehr gut.»
Hartmann lächelte milde.
«Es freut mich, mich mit einem kunstinteressierten und sachverständigen Kommissär unterhalten zu können. Wenn Sie wollen, führe ich Sie nach unserem Gespräch durchs Haus und zeige Ihnen meine ganze Sammlung.»
«Das wäre mir eine Ehre.»
«Ich habe übrigens schon viel von Ihnen gehört, Herr Ferrari.»
«Auch etwas Gutes?»
«Vorwiegend!» Er lachte. «Mit einer Ausnahme.»
«Und die wäre?»
«Jakob hat sich im Rotarierclub mehrmals über Sie beschwert oder sagen wir gejammert. Das trifft es eher. Aber das hat mich nur in meinem positiven Urteil über Sie bestärkt. Jakob ist ein brillanter Taktierer, immer auf der Seite der Gewinner. Da passt es ihm natürlich nicht, wenn sein wichtigster Kommissär in Teichen fischt, die tabu sind. Und Sie, meine Liebe, scheinen auch nicht gerade Jakobs beste Freundin zu sein. Betrachten Sie das bitte als Kompliment.»
Alice Schneeberger brachte den Kaffee und schloss diskret die Tür.
«Sie kümmert sich rührend um mich. Einige meiner Freunde glauben, dass sie auf mein Erbe scharf ist. Das stimmt nicht. Sie weiss, dass sie nichts zu erwarten hat. Trotzdem kümmert sie sich um mich. Als ob ich ihr kranker Vater wäre. Sie könnte leicht eine andere Stelle finden, wo sie unter Gleichaltrigen ist. Aber sie hat sich für die Betreuung eines alten, kranken Mannes entschieden. Können Sie das verstehen?»
«Ich habe in meinem Beruf so viele verschiedene Menschen kennengelernt, dass ich es längst aufgegeben habe, alles verstehen zu wollen. Es ist doch schön, wenn ein junger Mensch ohne Eigennutz einem älteren Menschen hilft.»
«So habe ich mir meinen Lebensabend eigentlich nicht vorgestellt. Ich hatte noch viele Pläne und viele Ideen. Aber anscheinend will Gott es nicht, dass ich diese noch verwirkliche.»
«Darf ich fragen, wie es Ihnen gesundheitlich geht oder möchten Sie nicht darüber reden?»
«Über diesen Punkt bin ich längst hinaus, Frau Kupfer. Ich habe Krebs. Die Ärzte geben mir noch drei bis höchstens sechs Monate. Anfänglich war ich wie vom Blitz getroffen, eine Woche lang zu nichts fähig. Dann raffte ich mich auf. Ich hatte keine Zeit zu verlieren. Seither verbringe ich jeden Tag, wie wenn es mein letzter wäre.»
«Können Sie keine Therapie machen?»
«Der Tumor ist zu weit fortgeschritten. Es wäre nur noch eine Qual. Es ist besser so. Es geht mir gut. Noch komme ich ohne Morphium aus. Aber diese Zeit steht mir bevor. Schneller, als ich es mir wünsche.»
«Seit wann wissen Sie es?»
«Seit fünf Jahren kämpfe ich gegen die Krankheit. Dass ich diesen Kampf verlieren werde, weiss ich seit einem Monat. Es ging immer auf und ab, doch die letzte Chemotherapie brachte nichts. Deshalb entschied ich mich gegen weitere medizinische Massnahmen. Ich will das Ganze nicht unnötig verlängern.»
«Das
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