Und der Basilisk weinte (German Edition)
vier Angeklagten überzeugt?»
«Das ist die falsche Frage, Herr Kommissär. Das Gericht musste die Schuld beweisen, und nicht die Angeklagten ihre Unschuld. Aber ja, ich war von der Unschuld überzeugt.»
«Wie standen Sie persönlich zu den vier?»
«Ich kannte nur Philippe Stähli. Sein Vater, den ich jetzt dann bald wieder im Jenseits treffen werde, war ein guter, ein sehr guter Freund von mir. Er bat mich, die Verteidigung seines Sohnes zu übernehmen.»
«Und die Verteidigung der anderen?»
«Philippe Stähli wünschte es. Er sagte damals, einer für alle, alle für einen.»
«Wie edel!»
«Jetzt werden Sie sarkastisch, Frau Kupfer. Letztendlich war es einer meiner einfachsten Fälle. Der Staat schlug sich selbst.»
«Wie meinen Sie das?»
«Die Ermittlungen waren noch nicht einmal richtig abgeschlossen, als Alexander Streck bereits Anklage erhob. Sie fragen mich jetzt bestimmt, ob das Ganze ein abgekartetes Spiel gewesen ist. Nicht von meiner Seite. Inwieweit Alexander und Justus Stähli einen Deal machten, bleibt ihr Geheimnis.»
«Wo bleibt die Gerechtigkeit?»
«So ist nun mal unser Rechtssystem. Die ethische Grundsatzdiskussion wird woanders geführt. Perry Mason hätte wohl viele meiner Fälle abgelehnt. Doch ich stand mitten in der Realität und seien wir ehrlich, wäre die Welt nur um einen Deut besser geworden?» Hartmann hielt einen kurzen Augenblick inne. «Natürlich verändern sich Ansichten, Ideologien und Visionen im Laufe eines Lebens. Damals hat es unheimlich Spass gemacht, das Recht mit all seinen Schwächen auszuloten. Es war ein faszinierendes Spiel. Damals …»
«Der schwarze Ritter im Kampf für die Verbrecher!»
Hartmann lachte.
«Ihr Humor gefällt mir, Frau Kupfer. Beinahe würde ich sagen, Sie sind nicht weit von mir entfernt. Lassen Sie mich die These aufstellen, dass Sie einen Menschen, den Sie mögen, sagen wir hier unseren Kommissär, selbst dann in Schutz nehmen, wenn Sie ihn für einen Mörder halten.»
«Das ist ganz etwas anderes», Nadines Stimme klang trotzig.
«Wirklich? Wie heissen Sie mit Vornamen, Herr Kommissär?»
«Francesco.»
«Also, würden Sie Ihren Partner Francesco an ein Gericht ausliefern, wenn Sie wüssten, dass er ein Mörder ist?»
«Francesco bringt niemanden um.»
«Das beantwortet meine Frage nicht. Vielleicht handelte er im Affekt oder hatte ein Blackout. Nun, meine Liebe, wie lautet Ihre Antwort?»
«Ich würde ihn nicht ausliefern», flüsterte Nadine.
«Aha! Sie würden ihn also beschützen, sich vor ihn stellen. Und ich vermute, das Gleiche gilt für den Kommissär im umgekehrten Fall. Interessant. Wo bleibt nun die Gerechtigkeit? Alles eine Frage der Perspektive oder anders formuliert: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe.»
Nadine sah den feixenden, alten Anwalt mit funkelnden Augen an.
«Oh! Sie würden mir jetzt am liebsten an den Kragen gehen. Nur zu, meine Liebe.»
Ferrari gefiel der Verlauf des Gesprächs überhaupt nicht. Er musste das Schiff wieder auf Kurs bringen. Unbedingt.
«Das sind ja nur rein hypothetische Überlegungen. Zurück zu unserem eigentlichen Anliegen. Was können Sie uns über Arnold Gissler erzählen? Hatten Sie noch Kontakt mit ihm?»
«Ja, wir blieben auch nach dem Prozess in Kontakt. Gissler führte ein sinnloses Leben. Ging am Morgen zur Arbeit und am Abend nach Hause. Mehr war da nicht. Wohl die Folge seiner Schuldgefühle.»
«Was nichts anderes heisst, als dass er zusammen mit den anderen Beat Fahrner umgebracht hat. Hatten Sie nicht eben gesagt, Sie wären von der Unschuld überzeugt gewesen?»
«Exakt. War! Damals wusste ich es nicht. Die vier jungen Menschen hatten geschworen, dass sie nichts mit der Sache zu tun hätten … Wie gesagt, ich stand in Kontakt mit Arnold Gissler. Ich war sein einziger Ansprechpartner zur Aussenwelt. Im Laufe der Zeit intensivierte sich unsere Beziehung und Arnold wurde so etwas wie mein Mündel. Als ich ihm in Tranchen erzählte, wie es um mich steht, brach er in Tränen aus. Ich bat ihn, das Ganze nicht so ernst zu nehmen. Ein paar Tage später kam er ziemlich aufgelöst zu mir und gestand, dass sie mich systematisch belogen und Beat Fahrner umgebracht hatten. Nicht mit Absicht. Sie hätten ihn provoziert, beschimpft, geschlagen. Die Situation war rasch ausser Kontrolle geraten. Niemand wollte den jungen Mann ernsthaft verletzen. Jugendlicher Leichtsinn mit tödlichem Ausgang. Furchtbar. Gissler wollte angesichts meines nahen Todes reinen
Weitere Kostenlose Bücher