und der Geisterzug
ja, vielleicht altmodischer als andere Jungen in seinem Alter. Keine Horrorvideos, kein Gemetzel am Computer, kein Rollenspiel, keine Zigaretten oder Drogen auf dem Schulhof. So etwas ist nicht seine Welt. Heute will jeder Junge Popstar oder Rennfahrer sein. Aber Fred träumt davon, Dampfloks zu fahren – wie Sam und ich, als wir Kinder waren. Und in diesem Traum gibt es für ihn nichts Böses. Wir haben versucht, ihm das zu erhalten, solange es ging.«
»Ich verstehe«, sagte Justus. »Deshalb haben Sie nichts von der überfahrenen Puppe gesagt und die Geschichte über den zerbrochenen Scheinwerfer erfunden. Aber Sie wollten doch zur Polizei gehen.«
»Welchen Sinn hätte das noch?«, sagte Carl bitter. »In drei Tagen ist hier alles vorbei. Die Bahn wird stillgelegt, der Tunnel endgültig zugemauert. Dann ist es mit dem Spuk, den Transparenten und allen anderen Dingen zu Ende.«
»Und niemand versucht, herauszufinden, um was es geht?«, fragte Justus ungläubig. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Was stand denn eigentlich heute auf dem Transparent?«
Carl wischte sich die Hände an dem Lappen ab und sah die drei ??? dabei nicht an. »Heute war es ›Goodbye Harrow‹. Zusammen mit der Wachsfigur war es eine böse Anspielung auf den Ruin unserer Stadt, mehr nicht.« Er verzog den Mund zu einem humorlosen Lächeln. »Natürlich gibt es noch eine letzte Fahrt – morgen abend, wenn wir euch nach Hause bringen. Wenn es dann noch ein Transparent gibt, steht darauf vermutlich ›Welcome Campbell‹ oder so etwas.«
»Dann meinen Sie, dass das alles von Mr Campbell ausgeht?«, fragte Justus.
»Nein, das meine ich nicht!«, sagte Carl scharf. »Und ihr solltet mit solchen Sprüchen vorsichtig sein. Mr Campbell ist ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, der Harrowville in die Zukunft führen will. Die ganze staubige Vergangenheit wird ausgekehrt, und vielleicht ist das auch besser für die Stadt, wenn sie eine Zukunft haben soll. Es ist eben unser Pech, dass wir an der Vergangenheit hängen. – Geht jetzt«, sagte er unvermittelt. »Ich habe noch zu tun.«
Justus rührte sich nicht vom Fleck. »Ich würde gerne noch wissen, was Sie mit der Uniformjacke gemacht haben, die die Harrow-Puppe trug. Sie gehörte nicht zu der Figur. Kennen Sie den Besitzer?«
»Nein. Sie war nur
noch ein zerfetzter Lumpen, und ich habe sie
verbrannt. Zieht das Tor hinter euch zu, wenn ihr geht,
ich schließe dann nachher ab.«
Es war klar, dass die
drei Detektive nichts mehr aus ihm herausbringen würden,
und so gingen sie nach draußen. Es wurde jetzt rasch
dunkel. Das Licht der untergehenden Sonne brannte über dem
schwarzen Rücken des Berges. In der Luft, die jetzt kalt
von der Wüste im Osten heraufwehte, lag ein leichter
Rauchgeruch. Justus machte sich auf die Suche nach der
Quelle des Geruchs, ohne etwas zu sagen. Peter und Bob
blieben schweigend an seiner Seite. Fünfzig Meter vom
Lokschuppen entfernt fanden sie ein altes Ölfass aus
Metall, aus dem der dünne Rauchfaden stieg. Justus hob
eine Eisenstange vom Boden auf und stocherte in der Asche
herum. Er stieß auf zerfallene Stofffetzen, schwarz
verfärbte Messingknöpfe und ein kleines viereckiges
Metallplättchen. Peter hielt ihn fest, als er die Luft
anhielt und sich vorbeugte. Als er wieder hochkam, hustete
er und wischte das Plättchen an der Hose ab. In einer
hübschen verschnörkelten Schrift war ein Name darauf
eingraviert.
Carl Sheehan. H.R.M.C.
In ihrem Zimmer angekommen, schlenkerte Peter die Schuhe von den Füßen und ließ sich auf sein Bett fallen. Ich glaube, wir haben noch nie so oft ›Mischt euch nicht ein!‹ gehört wie in diesem Fall. Das nervt.«
»Wir haben es schon häufiger gehört.« Justus holte seinen Rucksack, kramte die gesamte Detektivausrüstung heraus und legte sie auf den Tisch, dann setzte er sich davor. »Aber normalerweise brüllen die Leute uns an. Hier ist es anders – sie haben schon aufgegeben.«
»Kein Wunder«, sagte Bob, der auf der Fensterbank hockte. »Sie haben nur noch drei Tage. Und wir fahren morgen abend schon wieder ab. Da kann keiner mehr etwas rausreißen.«
»Andererseits wird doch eigentlich alles besser.« Peter faltete die Hände hinter dem Kopf und schaute zur Decke hoch. »Der Tunnel wird zugemauert, der Spuk hört auf, nichts liegt mehr gruselig auf den Schienen herum, wo es nicht hingehört, und Mr Campbell baut einen coolen Vergnügungspark, der die Leute anlockt und damit Geld
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