und der Herr der Loewen
sowie das Dach zurückgezogen waren, so daß mehr Licht in das trotzdem schattige Innere gelangte.
Dahinter wuchs ein Dickicht, das an einer Stelle durchbrochen und zum Teil niedergetreten war. Der Mörder muß von dort gekommen sein, von hinten, auf ihn zu, dachte sie und starrte auf das dunkle Dickicht. Schaudernd wandte sie schließlich ihre Aufmerksamkeit wieder Esau zu, um über ihn Wache zu halten und die Fliegen von seiner reglosen, blutigen Gestalt fernzuhalten. Ungeduldig wartete sie auf Kadis Rückkehr. Sie fragte sich, weshalb niemand auf die Schreie reagiert hatte, wo Kadi so lange blieb und wie lange sie noch allein hier ausharren müßte. Und wieder befiel sie das Gefühl, daß sie beobachtet wurde.
Ich muß gegen diese Paranoia ankämpfen, ermahnte sie sich. Diese Einbildung, daß ich beobachtet werde, ist lächerlich! Es ist reine Nervosität! Vom Weg her hörte sie endlich Stimmen, aber im gleichen Moment krachten berstende, trockene Zweige hinter der Werkstatt: Jemand zog sich in großer Hast zurück.
Also doch nicht Paranoia, sagte sie sich. Ich wurde tatsächlich die ganze Zeit über und aus nächster Nähe beobachtet!
Plötzlich war der Garten voller Leute: zwei junge Polizisten in Uniform, einer der Männer aus der Bang-Bang Snackbar, drei neugierige kleine Jungen und mehrere nicht weniger neugierige, obgleich verängstigte Frauen. Motorengeräusche kamen näher.
Inspektor Banda eilte in den Garten, gefolgt von Kadi. Es war Inspektor Banda, der die Leiche umdrehte. Nach einem flüchtigen Blick wandte Kadi die Augen ab. Mrs. Pollifax hielt das Mädchen, während es sich übergab.
»Komm, Kadi«, sagte sie sanft, »überlaß es jetzt der Polizei.«
Kadi erhob sich bleich und mit roten Augen. Mrs. Pollifax machte Inspektor Banda über den Garten hinweg auf sich aufmerksam. Er blickte auf Kadi und nickte. Er würde später mit ihnen reden. Sie führte Kadi hinaus aus dem Grundstück und zum Boulevard. In ihrem Zustand konnte das Mädchen unmöglich direkt zum Palast zurückkehren. So ging sie mit ihr in die Bang-Bang Snackbar. Kaffee, dachte sie, außer sie haben etwas Stärkeres. Als sie die Snackbar erreichten, fiel ihr eine Bewegung daneben auf. Das Tor von Moses'
Fahrradgeschäft wurde zuerst langsam von innen herausgeschoben und dann mit plötzlicher Heftigkeit ins Schloß gezogen.
Sie saßen in der Snackbar und alle waren außerordentlich aufmerksam. Der Mann hinter der Theke brachte ihnen heißen Tee und kalte mtibi und weigerte sich, dafür Geld zu nehmen.
Ein junger Polizist, von Inspektor Banda ausgesandt, sie zu suchen, kam in einem Landrover angefahren, und auch er war sehr zuvorkommend zu Kadi, die immer wieder behauptete:
»Ich bin okay, ich bin okay«, aber sie war kreidebleich und zitterte nach wie vor am ganzen Körper.
Der Polizist hob sie einfach hoch, trug sie hinaus zum Landrover, wartete auf Mrs. Pollifax, und fuhr dann die beiden Damen den Boulevard hinauf zum Palast. Sobald sie dort ankamen, flüsterte er Mrs. Pollifax zu: »Inspektor Banda sagt, bitten Sie Dr. Kasonde um Kognak und halten Sie sich von hier fern. Sie bringen Esau Matoka gleich hierher. Inspektor Banda spricht später mit Ihnen.«
Mrs. Pollifax nickte müde und fragte sich, warum in aller Welt Scharma darauf bestanden hatte, daß sie einen Talisman zum Schutz trage, wenn es doch die arme Kadi war, die offenbar einen Schock nach dem anderen erlitt. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an Moses'
Worte »Wo imfa ist, gibt es kein Erbarmen«.
Aber weshalb hatte Moses sie so eigenartig durch das Fenster der Snackbar angestarrt, fragte sie sich. Und wo war er von diesem Zeitpunkt an gewesen, bis sich das Tor hinter ihm geschlossen hatte?
An diesem Abend kehrten sie und Kadi zu dem hinteren Garten zurück, wo Esau ermordet worden war und wo er jetzt begraben werden sollte. Rasch, wegen der Hitze. »Er wird in Kräutern gewaschen worden sein«, erklärte ihr Kadi ernst, »und man wird ihm ein Grab ausgeschaufelt haben.«
Dr. Kasonde begleitete sie. Der hintere Garten war fast zu klein für die vielen Trauernden: Familie, Freunde, Nachbarn, Älteste, ein Priester. Inspektor Banda war da, und Mrs. Pollifax glaubte auch Scharma bemerkt zu haben. Mit Esau wurde sein Schnitzwerkzeug ins Grab gelegt, dazu einige Schnitzereien, etwas zu essen und Münzen für seine Reise ins Land seiner Ahnen. Sie blieben nicht bis zum Ende des Rituals, doch ehe sie gingen, trat Kadi an das noch offene Grab und ließ eine
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