und der Herr der Loewen
sah ihr Mrs. Pollifax am nächsten Morgen zu, wie sie den Riß mit grellroter Wolle zusammenzog, die sie von Rakia aus der Krankenstation bekommen hatte. Am Vormittag würde ihr Dr. Merrick den Verband abnehmen und die Fäden ziehen.
Wie ironisch, daß sie dann sowohl am Arm wie auch am Bein ihrer Bluejeans eine
gleichermaßen lange rote Naht haben würde.
»Du wirst damit hier Mode machen«, kommentierte Mrs. Pollifax lachend.
»Ich wollte, ich hätte mir mehr zum Anziehen mitgenommen«, murmelte Kadi.
Sie lehnte sich zurück und sagte nachdenklich: »Ich hoffe, es wird nichts von den Fundsachen an der Ausgrabungsstätte gestohlen. Ist es nicht aufregend sich auszumalen, was es für Ubangiba bedeuten kann, falls etwas wirklich Wichtiges entdeckt wird? Es wäre schrecklich, wenn jemand dort unfachmännisch herumstochert und mitnimmt, was er findet.«
»Allerdings«, pflichtete ihr Mrs. Pollifax bei. »Vielleicht ließe sich Sammat überreden, ein paar Polizisten oder Soldaten zur Bewachung abzustellen?«
Kadi seufzte. »Er ist so fieberhaft beschäftigt. Ich weiß ja, daß er schrecklich viel zu tun hat, trotzdem müßte ein möglicher archäologischer Fund ihn zumindest neugierig machen, aber er interessiert sich absolut nicht dafür.« Ihre Miene erhellte sich. »Emmyreed, weißt du, was schön wäre? Wenn der Werkmeister einige seiner Leute näher an die Straße quartierte, wo sie ein Auge auf Tonys Ausgrabungsstätte haben würden, und wir uns einen Lieferwagen ausborgen und dorthin fahren und darin übernachten könnten. Wir würden einen richtig schönen Ausflug machen, mit Picknick und allem, und am nächsten Morgen könnten wir bei meinem Dorf anhalten - ich meine, da, wo ich aufgewachsen bin - und ich käme endlich dazu, es dir zu zeigen.«
»Aber zuerst einmal würden wir uns Tony bei diesem nächtlichen Ausflug anschließen, nicht wahr?« Mrs. Pollifax lächelte.
Kadi errötete. »Warum nicht? Ich werde mir wegen der Fäden im Arm keine Gedanken mehr machen müssen; wir können ohne Bedenken im Laderaum des Lieferwagens schlafen, nicht wahr? Du hast dein Karate und ich meine Pistole. Und wenn wir am Vormittag mein Dorf besuchen, werde ich genau das tun, was Sammat von mir erhoffte - mit den Leuten reden und herausfinden, was sie wissen.«
Augenzwinkernd sagte Mrs. Pollifax: »Wenn das kein zwingendes Argument ist!«
Kadi machte einen Knoten in ihren Wollfaden, schnitt ihn ab und sagte entschieden: »Wir wollten mein Dorf auf jeden Fall besuchen und hätten ohnehin einen Landrover oder einen Lieferwagen ausleihen müssen, alles andere spielt doch keine Rolle.«
Das war eine neue Kadi, ganz von der ersten Liebe oder zumindest Verliebtheit bewegt. Mrs.
Pollifax fühlte sich nicht so ganz wohl in ihrer Haut, da sie nun sowohl Anstandsdame wie Leibwächterin für ein so junges Mädchen sein mußte. Es erschien ihr so lange her zu sein, daß ihre Tochter Jane ein Teenager gewesen war. Bei ihr hatte aber auch nie die Notwendigkeit bestanden, sie gegen jemanden mit einem Messer zu beschützen, und ebensowenig hatte sie einen Hang für dunkle Gärten gehabt. Kadi war ein Schatz, doch sehr verwundbar. Tony war älter, vermutlich Mitte Zwanzig, tüchtig und wirklich sehr nett. Sie hatten sich in Kadis Heimat kennengelernt und es hatte ihn zweifellos beeindruckt, daß sie die Tochter von einem hochverehrten Arztehepaar war, das außerdem noch den Märtyrertod gestorben war. Kadi ihrerseits war hocherfreut, einen jungen Mann kennengelernt zu haben, der in ihrem Geburtsland arbeitete und mit missionarischem Eifer davon angezogen wurde, der aber außerdem schon viel von der Welt gesehen hatte und lebenserfahrener war als sie.
Hier ist das Problem, Kadi zu beschützen, ohne daß sie sich in ihrer Bewegungsfreiheit behindert fühlt, dachte Mrs. Pollifax und wünschte, Dr. Gibbons würde sich mit seiner Expertise über die mitgenommenen Fundgegenstände beeilen. Wenn sie wertlos waren, würden keine Plünderer sich mehr für die Fundstätte interessieren. Und sollten sie sich doch als wertvoll erweisen, würde Sammat bewaffnete Posten aufstellen oder einen Zaun um die Fundstätte errichten lassen müssen.
Schließlich wählte sie ein neutrales Thema und sagte: »Ja, es ist höchste Zeit, daß du herausfindest, was Freunde in deinem Dorf von Sammat halten.«
Kadi nickte. »Rakia war am Samstag dort. Sie wohnt jetzt natürlich hier-sie sind gleich, nachdem ich das Land verließ, in die Hauptstadt gezogen -,
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