und der Herr der Loewen
aber ihre Eltern und übrigen Verwandten leben noch in dem Dorf, und sie besucht sie einmal im Monat und bringt ihnen Kleidung und Essen.«
»Hat sie erwähnt, wie sie auf die Gerüchte reagieren, daß Sammat hinter diesen Morden steckt? Wenden sie sich gegen ihn?«
»Die Gerüchte beunruhigen sie«, erwiderte Kadi. »Es ist sehr schwer für sie. Zauberei ist etwas Schreckliches, aber Sammy ist der Enkel von König Zammat, und so abergläubisch sie auch sein mögen, König Zammat wurde wirklich geliebt. Oh, er war König, aber so gütig.
Und auch weise.«
»Hast du ihn gekannt?« erkundigte sich Mrs. Pollifax ehrlich interessiert.
»Erst als er schon alt war - zumindest sah ich es so -, da war er viel weniger förmlich, wie man erzählt, denn früher sei er sehr distanziert gewesen und habe den Hort der Könige nur selten verlassen. ›Er lebte nach den alten Traditionen‹, wie mein Vater es nannte, obwohl er in England auf die Universität gegangen war. Sammy meint, daß seine Bücher ihn dazu brachten, im Lauf der Zeit etwas lockerer zu werden. Weißt du, er hatte diese wunderbare Bibliothek. Ich persönlich glaube, daß er immer - nun, zeitnaher hatte sein wollen. Immerhin war er es, der Ubangibas Unabhängigkeit von den Briten ausgehandelt hat.« Plötzlich kicherte Kadi. »Es war etwa zu der Zeit, als er den Boulevard rauf und wieder runter radelte.«
»Wie bitte?«
»Er benutzte ein Fahrrad! Es verblüffte alle, aber auf gewisse Weise befreite es sie auch, und das war ebenfalls ein Grund, weshalb sie ihn liebten. Rad fuhr er mit voller Absicht. Er stand in Verhandlung mit einer Londoner Firma, die er gern hier gehabt hätte, damit sie Fahrräder produzierten. Er sandte sogar drei Männer nach London, um zu lernen, wie sie hergestellt wurden.« Sie seufzte. »Bedauerlicherweise wurde nichts daraus, aber wenigstens öffnete die Firma hier eine Verkaufsstelle, die sie eine Zeitlang betrieb. Und die drei Männer, die in London gewesen waren, hatten dort zumindest gelernt, wie man Fahrräder reparierte. Jeder, der sich ein Fahrrad leisten konnte, kaufte eines. Und der König verschenkte Hunderte an Leute, die sich den Kauf nicht leisten konnten.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort.
»Weißt du, ein König war immer das Herz und die Seele des Landes. Deshalb sind die Leute
- zumindest in meinem Dorf - so beunruhigt und wissen nicht, was sie denken sollen.«
Traurig fügte sie hinzu: »Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis die Gerüchte das größere Gewicht haben werden und sie sich gegen Sammy wenden und es zum Aufstand kommt. Ich glaube nicht, daß sie ihn töten werden, immerhin ist er der letzte aus dem Königsgeschlecht!«
Mrs. Pollifax dachte: Aber wir müssen das Land bald verlassen und es wird weitere Morde geben. Und um einen Häuptling oder einen König umzubringen, genügt eine Person und zweifellos wird sie der Mann sein, der sich hinter einer Löwenmaske verbirgt.
Kadi blickte sie flehend an: »Und was hältst du von dem Ausflug über Nacht?«
Wie unbedenklich wäre doch ein solcher Ausflug in den Vereinigten Staaten, dachte Mrs.
Pollifax seufzend. Aber für Kadi - und in Ubangiba? »Ich habe nichts gegen einen solchen Ausflug, Kadi«, erwiderte sie wohlüberlegt, »aber ich habe eine Bedingung. Nein, sieh mich nicht so an, ich weiß selbst wie traurig es für dich war, daß du zwei unserer nur acht Tage hier im Krankenzimmer verbringen mußtest, aber es wäre unverzeihlicher Leichtsinn, wenn wir diesen Ausflug ohne zusätzlichen Schutz machten. Wenn Sammat uns ein oder zwei Soldaten mitgeben würde oder ein paar bewaffnete, vertrauenswürdige Männer, dann ja aber nur dann!«
»Für einen ganz einfachen Ausflug?« entrüstete sich Kadi.
»Nichts ist in dieser Zeit einfach in Ubangiba. Denk nur an Esau, Kadi. Und an das!« Sie deutete auf Kadis verbundenen Arm.
Kadi hob das Gesicht zu ihr. »Verzeih«, bat sie zerknirscht. »Es war unüberlegt. Aber ich wäre so gerne...«
»Ich verstehe es ja«, versicherte ihr Mrs. Pollifax lächelnd. »Laß dir erst mal die Fäden ziehen und rede dann mit Sammat. Wer weiß, vielleicht würde er selbst gern mitkommen. Es wäre genau die Ablenkung, die er brauchte.«
Möglicherweise fühlte Sammat sich ein wenig schuldig, weil er die Bitte seiner Gäste abschlug, die er immerhin persönlich in sein Land eingeladen hatte. Jedenfalls entschuldigte er sich bei Kadi, daß er leider zu beschäftigt sei, an dem Ausflug über Nacht
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