und der sizilianische Dieb
gehalten.«
»Aber er hat mich nicht getroffen!« Mrs. Pollifax runzelte die Stirn. »Das ist schwer zu verstehen.«
Kate, die in den Rückspiegel schaute, sagte: »Farrell, ob es Ihnen aufgefallen ist oder nicht, Mrs. Pollifax sieht ziemlich mitgenommen aus. Also hören Sie eine Weile auf, von Aristoteles und Kugeln zu reden!«
Farrell blickte Mrs. Pollifax forschend an. »Vielleicht einen Kognak? Wir könnten irgendwo anhalten...«
»Ich habe eine bessere Idee«, unterbrach ihn Kate. »Ich schlage vor, wir halten unterwegs zu Raphaels Villa in Segesta an. Es ist mein Lieblingsausflugsort, und wenn wir die Landstraße 113 nehmen, kommen wir ohnehin daran vorbei. Es ist sehr friedlich in den Ruinen. Die Straßen sind von Gras überwuchert, und von dem Theater, das aus gewachsenem Fels gehauen ist, kann man meilenweit sehen - nur Himmel und Landschaft.«
»Sehr poetisch«, murmelte Farrell, »aber es ist Ihnen hoffentlich klar, daß es Zeit kosten wird, Raphaels Haus zu finden, und noch mehr Zeit, eine geeignete Stelle, von wo aus wir es unbemerkt beobachten können.«
»Natürlich«, entgegnete Kate, »doch ich wüßte keinen Ort, an dem sich Mrs. Pollifax besser von dem Schock erholen könnte. Und besser als Kognak ist es allemal.«
Wie aufmerksam von ihr, dachte Mrs. Pollifax, die sich eingestand, daß sie erschüttert war; nicht so sehr durch die Kugel, sondern daß sie Aristoteles tatsächlich wiedergesehen hatte.
»Es hört sich verlockend an«, sagte sie.
»Gut - dann wollen wir mal. Wird ohnehin Zeit, daß wir mehr von dieser Insel sehen«, sagte Farrell. »Und Herzogin, es tut mir leid, daß ich nicht sensibler war. Es ist wohl meine Begeisterung mit mir durchgegangen, daß Aristoteles Sie nicht getroffen hat.«
»Was mich immer noch überrascht.«
»Nun ja, in Gefängnissen gibt man den Sträflingen kaum Gelegenheit, schießen zu üben.«
Die Schnellstraße war ihnen inzwischen vertraut. Mrs. Pollifax vermied die Erinnerung an den Zwischenfall mit den zwei Apachen bei der Rückfahrt von Erice. Abrupt bremste Kate den Wagen ab. »Wir biegen hier ab, um nicht durch Partinico zu müssen, und fahren landeinwärts nach Segesta. Übrigens, von Partinico aus hat Danila Dolci viel für die Menschen getan. Er hat gegen die Regierung und Mafiosi einen Kampf geführt für Schulen und Kooperative und den Bau eines Dammes. Ein Heiliger, das dürfen Sie mir glauben, und natürlich Francas Vorbild. Und in den Bergen, hier in der Nähe, lebte Siziliens berüchtigtster Bandit, Salvatore Giuliano. Volksheld oder Terrorist, wie Sie wollen.«
»Lebt er noch?«
»O nein, er wurde ermordet, von wem weiß niemand mit Sicherheit. 1950, glaube ich.«
Sie fuhren über Hügel, durch einen Tunnel und dann durch das Städtchen Alcamo. Als die Straße bergab führte, vorbei an Pinien und Olivenbäumen, sagte Kate: »Schauen Sie! In der Ferne auf dem Monte Bárbaro können Sie die Ruinen sehen.«
»Ich seh' nur Landschaft«, murmelte Farrell. »Keinen Blick für das Wesentliche«, sagte Kate stichelnd. Sie parkten den Wagen fast auf der Bergkuppe und folgten einem langsam ansteigenden Pfad zu den Theaterruinen. Links des Weges breitete sich eine Wiese mit Gänseblümchen, leuchtendem Mohn und größeren Flecken mit gelben und purpurnen Blumen aus. Ein leichter Wind strich durchs Gras und spielte mit den Wipfeln der Olivenbäume. »Sehen Sie den Tempel dort unten?
Er ist wunderbar erhalten, wurde jedoch nie ganz fertiggestellt.
Aber das Theater und die Ruinen der Stadt sind hier oben. Hier gefällt es mir am besten«, sagte Kate.
Sie betrachteten die griechischen Theaterruinen, deren grobbehauene Steinsitze arenagleich um die Bühne angeordnet waren, und den freien Blick über Wiesen und Taler.
»Archäologen haben es entdeckt«, fuhr Kate fort. »Kaum zu glauben, daß es jahrhundertelang begraben war. Jetzt sieht es aus, als könnten jeden Augenblick Zuschauer kommen, um sich eine Aufführung anzusehen. Eine Tragödie von Aischylos vielleicht - er ist übrigens in Sizilien gestorben.«
»Wie wild, schön und einsam es hier ist!« hauchte Mrs. Pollifax.
»Kommen Sie«, forderte Kate sie auf und führte die beiden zwischen riesige Steinblöcke hindurch.
»Straßen!« rief Farrell. Er blickte über eine längliche Rasenfläche mit Blumen, die von Ruinen eingesäumt war. »Das waren mal richtige Straßen! Können Sie sich vorstellen, wie es früher hier war?«
»Ja«, antwortete Mrs. Pollifax begeistert. »Menschen
Weitere Kostenlose Bücher